Elberadweg
So. Den hätten wir nun also auch abgearbeitet. Zumindest die Strecke Hamburg – Dresden. Das verringert die Anzahl der noch abzuradelnden deutschen Flüsse wieder spürbar. Blöd wäre, wenn man eines Tages endlich alles abgefahren hat und es danach zu einer Gebietsreform kommt, einer Kreiszusammenlegung, einer Osterweiterung oder was es da nicht schon alles gegeben hat. Denn danach könnten plötzlich weitere Flüsse auf deutschem Territorium liegen. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, hier auch einmal jegliches eventuelle Großmachtstreben anzuprangern. Ich möchte nicht – nur weil wieder einmal einige Idioten die Landesgrenzen bis zum Ural ausdehnen wollten – nachher die Wolga abradeln müssen. An die daraus resultierenden Knieschmerzen wage ich gar nicht zu denken!
Meine Knie tun durchaus etwas weh. Das würde ich eigentlich nie zugeben, aber hier, im Schutz der Anonymität des Internets….
Doch zurück zum Thema: Kluge Leute – vor allem diejenigen, welche regelmäßig den Wetterbericht sehen – wissen, dass der Wind in Deutschland statistisch gesehen meist aus West bis Nordwest bläst. Aus diesen Gründen fahren kluge Leute also die Strecke Hamburg – Dresden besser von Hamburg aus, weil sich so ein beschleunigender Rückenwind ergibt. Natürlich wissen kluge Leute auch, dass statistische Durchschnittswerte eben nur Durchschnittswerte sind. Insofern ärgern sich kluge Leute dann auch nicht, wenn der Wind die gesamte Reisezeit über zufälligerweise doch konstant aus Südost entgegen kommt. Nein, man sagt sich: „So ist Natur nun einmal … kann man nichts machen … Scheiß-Wind!“ Wir freuten uns, genau eine dieser seltenen Anomalien erwischt zu haben.
Wenn man als Dresdner den Elberadweg entlangfährt, kann man gar nicht so unbeschwert dahin radeln. Ständig stößt man auf gewisse Analogien in der Heimat und beginnt sich verschiedenste Gedanken zu machen. Man beneidet bald die anderen Radfahrer. In Neu Darchau möchten die Anwohner zum Beispiel keine Brücke über die Elbe, obwohl eine geplant ist. Und schon denkt man wieder an die Waldschlößchenbrücke daheim! Allerdings ist die Neu-Darchauer Situation nicht ganz mit der unsrigen vergleichbar, was in diesem Beitrag der Sendung „Extra 3“ deutlich wird. Aber nun wurde man mit der Nase auf dieses Thema gestoßen und begegnet in den nächsten Tagen mehreren Elb-Brücken. Und stellt Vergleiche an. Direkt schön sehen sie eigentlich in den wenigsten Fällen aus, was hier aber nicht als Entschuldigung für Dresdner 08/15-Architektur dienen soll. Beeindruckend fand ich – ganz nebenbei – das Wasserstraßenkreuz bei Magdeburg, mit dem der Mittellandkanal über die Elbe geleitet wird. So etwas kannte ich bisher nur aus Schweden. Aber jedenfalls sind alle Elbbrücken nicht gerade schön, sondern eher funktional. Kein Mensch wird übrigens bei auch nur einer dieser Brücken auf den in Dresden normalen, aber außerhalb davon seltsamen Gedanken kommen, eine Brücke zerschneide die Landschaft. So gesehen müssten die drei Brücken in Meißen das beginnende Elbtal ja regelrecht zerhäckseln. Toll sehen die übrigens auch nicht aus. Als wir später wieder in Dresden ankamen und am Brückenbauplatz vorbeikamen, fiel mir durch die vorherigen Vergleiche auf, wie niedrig die Reizwort-Brücke anscheinend ausfallen wird. Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass, wenn sie erst einmal fertig da steht, kaum noch jemand nachvollziehen können wird, was daran nun eigentlich das große Problem war. Übrigens wird man nicht sehr lange solche Überlegungen anstellen können, denn die Brücke muss nach Fertigstellung bald wieder zurück gebaut werden. Sagen zumindest die verbliebenen Hardcore-Gegner. Allerdings bezeichnen sie sie auch schon als Denkmal des Starrsinns, was natürlich ein Problem aufwirft. Ein Denkmal kann man schließlich nicht einfach abreißen, denn dann erfüllt es seinen Zweck nicht mehr. Aber Schluss jetzt mit diesem Thema!
Na, noch nicht ganz. Denn der zweite Grund, weshalb man auf dem Elberadweg gelegentlich an dieses Thema denken muss, ist die ständige Gegenwart verschiedener UNESCO-Weltkulturerbe-Objekte: Der Wörlitzer Park, Lutherstadt Wittenberg und –wenn ich mich nicht irre – 4 Biosphärenreservate. Diese Gebiete, allerdings auch die ähnlichen Abschnitte außerhalb der offiziellen Reservate, fand ich als Tierfreund wirklich sehr interessant: Überall quakte und unkte es. Und da rede ich noch gar nicht von den vielen Vögeln. Endlose Gegenden mit überfluteten Wiesen und Teichen. Man könnte glatt auf den weltfremden Gedanken kommen, in Deutschland sei Naturschutz kein Problem. Als ich von einer unserer Unterkünfte aus einen Kurzbesuch der nahe gelegenen Tümpel machte, fand ich ohne große Mühe in kurzer Zeit Teichmolch, Gras- und Wasserfrosch, Rotbauchunke, Laubfrosch und Ringelnattern. So muss es sein. Allerdings gebe ich zu, dass ich nicht dauerhaft unmittelbar neben einem solchen Tümpel wohnen möchte. Ich glaube, das könnte meine Sympathie vor allem gegenüber den Laubfröschen doch leicht schmälern. Die Burschen sind die lautesten.
Aber vielleicht wächst in diesen Biosphärenreservaten auch eine Gefahr für uns heran? In einem Dorf waren auf einer Tafel Storchenbeobachtungsergebnisse verzeichnet. Ein ausgesuchtes Brutpaar kommt nun schon seit 20 Jahren und hat seitdem 51 Junge aufgezogen. Diese beiden Störche haben sich bisher also etwa verfünfzigfacht. Da die Jungtiere das auch tun werden, kann man leicht ausrechnen, wann der gesamte Planet von einer geschlossenen Storchenschicht bedeckt sein wird. Dass das eintreten wird, ist ganz klar absehbar. Ich möchte die Gelegenheit also weiterhin nutzen, um die Menschheit angesichts dieser Bedrohung wachzurütteln. So, auch erledigt.
(*)
Ich denke, damit ist zum Elberadweg alles Wichtige gesagt. Hat sich sonst noch etwas Berichtenswertes ereignet? Ach ja: Die Hinfahrt mit der Bahn war deprimierend, denn alles lief perfekt. Keine Verspätungen, alle Anschlüsse klappten, freie Sitzplätze, verfügbare Fahrradabteile, die selbst ausgedruckten Fahrscheine wurden akzeptiert … so macht das keinen Spaß! Ich meine, wozu fährt man mit der Bahn? Genau! Um sich nachher darüber aufregen zu können. Insofern kann man auch wieder Auto fahren – dann hat man wenigstens die sicheren Themen „Stau“ und „Benzinpreise“!
* Folgenden Abschnitt hatte ich nach der ersten Textdurchsicht wieder gelöscht, weil der Text sonst zu lang geworden wäre. „Derart lange Texte liest doch keiner“, dachte ich mir. Aber muss ich es komplett löschen? Im Sinne der Resteverwertung biete ich es einfach noch mit als Bonus-Material an. Das also hätte ursprünlich an der (*)-Stelle stehen sollen:
Rein mathematisch betrachtet, haben wir denselben Effekt auch bei den UNESCO-Weltkulturerbe-Gebieten. Wenn jedes Jahr neue hinzu kommen, aber nie welche abgeschafft werden, wird unser Planet irgendwann komplett von solchen Gebieten bedeckt und ein UNESCO-Weltkulturerbe-Planet sein. Das ist ein logisch absehbarer Prozess. Wenn das nun aber ohnehin vorhersehbar ist – warum dann erst solange warten? Dann kann man es auch gleich komplett so beschließen. Wäre konsequent, hätte aber auch einen leicht inflationären Charakter. Denn wenn das Besondere allgegenwärtig ist, wird es zur Normalität. Ich denke, dass es unter diesem Gesichtspunkt wichtig ist, dass zumindest einige Gebiete vom Weltkulturerbe-Status ausgeschlossen bleiben. Zumindest bei der Elbe muss vielleicht nicht gleich der gesamte Verlauf unter Welterbe-Schutz stehen. Ein paar Lücken sind möglicherweise vetretbar. So kann das Besondere auch weiterhin hervor gehoben werden. Der Dresdner Abschnitt der Elbe spielt also insofern eine herausragende Rolle, wenn er im Juni seinen Titel verlieren wird. So herum kann man es ja auch einmal betrachten.