Islay, Tag 2
Der Tag begann mit einer nicht sehr logischen Verhaltensweise unsererseits: Gestern waren wir sehr glücklich, dass wir die Fähre noch erwischt hatten (denn anderenfalls hätten wir heute den ganzen Vormittag mit der Überfahrt vertrödelt und erst ab dem Mittag etwas unternehmen können). Ja, was soll ich sagen … wir vertrödelten den Vormittag trotzdem mit einem sehr langen Frühstück und unternahmen erst gegen Mittag etwas. Aber egal – es war ja auch nichts konkretes für die Zeit geplant.
Das Islay Festival findet jeden Tag in einer anderen Destillerie statt. Wie sich in den letzten Wochen andeutete, waren bereits einige Programmpunkte – vor allem die interessanteren Destillerieführungen – ausverkauft. Deshalb versuchte ich, einen Ablauf zu erstellen, mit dem wir alle interessanteren Destillerien mit möglichst wenig Fahrerei besuchen könnten. Ich überlegte, dass es besser sein könnte, nicht unbedingt immer nur die Destillerien zu besuchen, in denen gerade das Festival stattfindet, sondern auch die anderen. Weil man dort möglicherweise noch eine bessere Chance hat, in die Besichtigungstouren mit hinein zu kommen.
14 Uhr waren wir heute in Bowmore angemeldet. Vorher sahen wir uns noch die gleichnamige Stadt an. So wahnsinnig viel gibt es da nicht zu sehen. Da markanteste ist die runde Kirche oberhalb der Stadt. Warum diese rund ist, weiß niemand. Eine der Theorien besagt, dass sie deshalb rund gebaut wurde, damit sich der Teufel nicht in Ecken verstecken könne. Man sieht: Auch im Vereinigten Königreich wird humor groß geschrieben!
Als es dann losgehen sollte, war ich leicht verwirrt, weil außer uns nur noch zwei Japaner mit auf den Beginn warteten. Hatte ich mich in der Uhrzeit getäuscht? Wo blieben die Besuchermassen? Die blieben aus und wir wurden tatsächlich nur zu sechst durchgeführt.
Wie Whisky hergestellt wird, wird im Internet in vielen Stellen beschrieben (z.B. hier), weshalb ich das hier nicht noch einmal ausführlich erklären möchte. Da ich die nächsten Bilder aber zumindest ein wenig erklären muss, hier die Kurzversion:
Die Grundlage ist Gerste, also barley. Gerste ist auf der Insel ein allgegenwärtiges Thema, man bekommt auch immer mal wieder den Geruch von ihm in gemälzter Form in die Nase. Mir ging bald ständig das Lied „The Wind That Shakes The Barley“ durch den Kopf, welches mir in der Version von Dead Can Dance übrigens am besten gefällt. Jedenfalls wird die Gerste auf solchen großen Bodenflächen, der Tenne, zum Keimen gebracht. Dort wird sie regelmäßig gewendet. Früher machte man das mit Schaufeln, heute gibt es dafür kleine Maschinen. Rückenfreundlicher ist das auf jeden Fall, andererseits verbleiben dadurch auch weniger Angestellte, die sich über weniger Rückenprobleme freuen können. Der nächste Schritt ist der Abbruch der Keimung durch Trocknung über einem Torffeuer.
Der Rauch des Torfes überträgt sich geschmacklich auf die Gerste, was eine der typischen Noten von Islay-Whiskys ist. Man kann diese Torfigkeit im Geschmack auch regulieren – beispielsweise stellt man in der Destillerie Bruichladdich den (nach eigener Aussage) am stärksten getorften Whisky her: „Oktomore“. Mein Fall ist diese Sorte allerdings nicht. Jedenfalls wird hier auf der Darre (kiln) die Gerste in diesem Rauch getrocknet:
Hier ist momentan kein Torffeuer an, sonst würde man weniger sehen. Lange bleibt die Gerste aber nicht trocken, denn nach dem anschließenden Mahlen kommt sie in das Maischbecken, den mash tun:
Und von da aus gelangt die beim Maischen entstandene zuckerhaltige Flüssigkeit in die Gärbottiche (washbacks). Was man hier sieht, ist nur der kleine obere Teil. Die Behälter gehen unterhalb des Lattenrostes noch weiter in die Tiefe:
Was hierin entsteht, ist letztlich nichts anderes als eine Art Bier, es schmeckt auch so, allerdings nicht besonders gut. Der nächste Schritt ist das Brennen in den meist recht imposanten Brennblasen
Die Form der Brennblasen und die Führung und Länge der Rohre haben einen entscheidenden Einfluss auf den Geschmack des entstehenden Whiskys. Einiges davon kann man auch erklären, aber wie es nun wirklich detailliert zusammenhängt, scheint niemand wirklich zu wissen. Hier noch der (von der britischen Zollbehörde verschlossene) spirit safe, in dem der Rohbrand durchläuft, um einer zweiten Destillation ausgesetzt zu werden, von wo aus er ebenfalls wieder hier durchläuft.
Und dann geht es ab damit in die Fässer:
Das ist nur ein kleines, speziell für uns Touristen eingerichtetes warehouse, wo man die wenigen Fässer etwas fotogen hingelegt hat. Die meisten Fässer lagern in großen Hallen, von denen je nach Destillerie einige auch gar nicht direkt bei der Destillerie, sondern ganz woanders sind. Bowmore hat auch nicht alles direkt hier im Ort.
Negativ war in Bowmore: Es gab nur ein Glas beim anschließenden tasting, und dann auch noch nur den 12-jährigen. Ich weiß zwar, dass meine Lieblingssorte bei Bowmore der 15-jährige „Darkest“ ist, aber in früher besuchten Destillerien der Speyside erhielten wir etwas variablere Proben. Ein anderes Problem war: Ich hatte massive Probleme, den Ausführungen unserer Führerin zu folgen. Ich habe bestenfalls 2/3 sinngemäß von dem verstanden, was sie uns erzählte. Ich weiß, dass mein Englisch verbesserungswürdig ist, aber dass es so schlecht sein sollte … ? Später sagten meine Freunde von sich aber dasselbe. Es schien wohl doch eher am Dialekt der netten jungen Dame gelegen zu haben.
Anschließend fuhren wir spontan zu Bruichladdich, wo heute Festival-Tag war. Dort bekam ich eine Ahnung, warum so wenige Teilnehmer bei unserer Führung waren: Man konnte dort selbst durch die Räume gehen (zumindest durch manche) und hatte dadurch mehr Zeit zum Fotografieren. Ich habe dort aber zunächst nicht fotografiert, sondern ein paar Video-Schnappschüsse gemacht, weshalb es hier einen kleinen Film gibt (keine Panik – er dauert nicht einmal 2 Minuten). Zum Beginn wird gerade der Maischbehälter mit Wasser befüllt, danach sieht man Brennblasen und die beiden spirit saves. Und dann noch ein paar Bilder von der ausgelassenen Stimmung der Besucher:
Jim McEwan, der Brennmeister von Bruichladdich führte höchstpersönlich durch das Programm und war hier gerade mit einer Versteigerung (selbstverständlich für irgendeinen guten Zweck) beschäftigt.
Der Tagesausklang bestand für mich in einer kleinen Tour entlang der Küste zwischen Port Ellen und Laphroaig, die wir erreichen konnten, indem wir einfach hinter unserem Haus über den Hügel stiegen. Eine sehr schöne Gegend, die anscheinend auch ein interessantes Gebiet für Ornithologen ist. Ich sollte hier noch einmal entlang laufen und mehr Zeit einplanen.
Laut Karte nennen Einheimische diesen Abschnitt „the ard“. Im Hintergrund sieht man die weißen Gebäude von Laphroaig. Das ist für übermorgen eingeplant – dorthin müssten wir eigentlich auch zu Fuß gehen können.