Elbhangfest 2010
Das ist also das 20. Elbhangfest. Ich dachte, das sei erst nächstes Jahr. Und ich vermutete, die Veranstalter hätten das aktuelle Programm absichtlich etwas höhepunktarm gestaltet, damit man im nächsten Jahr zum Jubiläum eine gewaltige Steigerung erzeugen könne. Aber beim Blick auf mein Armband erkannte ich: Das ist tatsächlich schon das Jubiläum! Doch zum zwanzigjährigen Jubiläum hätte ich etwas mehr erwartet.
Eigentlich war ich immer Sympathisant des Elbhangfestes. Schon der Zustand, dass auf der Pillnitzer Landstraße zwei Tage lang praktisch kein Autoverkehr vorhanden ist und die gesamte Gegend wie ausgetauscht wirkt, ist einfach toll. Wenn Leute kritisierten: „Ach, da gibt’s überall bloß Fressbuden…“, hielt ich dagegen, wenn es nicht genug davon gäbe, würden sich andere wiederum genau darüber beschweren. Oder bei: „Da musste überall Eintritt bezahlen – das gibt’s bei anderen Stadtfesten nicht …“, erklärte ich stets, dass man keineswegs überall Eintritt zahlen müsse, sondern nur dort, wo etwas Kulturelles läuft. Man kommt schon seit Jahren von Loschwitz bis nach Pillnitz durch, ohne irgendwo Eintritt zahlen zu müssen und kann trotzdem einiges sehen. Bei diesem großen Festgelände ist auch ein ziemlicher Organisationsaufwand vorhanden, der bei anderen Stadtteilfesten sicher wesentlich geringer ausfällt. Außerdem sind die 12 € bei den vielen angebotenen guten Programmpunkten sogar wenig. Das waren meine typischen Argumente.
In den letzten Jahren lief es stets so ab, dass ich mir im Vorfeld das Programm nahm und so viele Konzerte und Veranstaltungen entdeckte, dass es manchmal schwierig wurde, alles miteinander so zu koordinieren, dass man nicht zu viel verpasste. Am besten war es letztlich immer im Wachwitzer Rhododendron-Park, genauer gesagt unterhalb der Königlichen Villa. Eigentlich brauchte man nur dorthin zu gehen. Da manche Künstler an den drei Tagen an mehreren Stellen auftraten, kamen hier irgendwann immer alle vorbei. Hier waren auch immer wieder richtig gute Bands – „Naked Raven“ fällt mir spontan ein. Leider wird in dem Park nun gebaut und es scheint fraglich, ob dort jemals wieder solche Dinge wie früher laufen werden.
Jedenfalls – bereits letztes Jahr geschah folgendes: Ich nahm mir das Programm und fand … nichts. Absolut nichts, was mich interessiert hätte. Ich las dann noch einmal alles durch und versuchte dabei, die Ansprüche herunter zu schrauben und meine Interessen zu erweitern: Immer noch nichts, oder zumindest kaum etwas. Das war das erste Jahr, wo ich mir keine Eintrittskarte kaufte. Sicher – ich war garantiert auch damals wieder im kostenlos zugänglichen „Gare de la Lune“, um den obligatorischen Besuch bei den „Rockys“ zu absolvieren. Aber ich habe die Rockys nun schon 2-3 … dutzendmal gesehen, kann alle Lieder mitsingen und so sehr hat sich das Repertoire auch nicht geändert. Bei T.S.O. ist es ähnlich. Beide Bands sind natürlich immer eine Anreise wert, aber wie gesagt … zu oft muss es auch nicht sein.
Dieses Jahr war’s genauso. Programm gelesen. Nichts gefunden (bis auf „Keimzeit“ am Samstagabend und „Das blaue Einhorn“ sonntags). Keimzeit ist gut – keine Frage – aber ich habe bei ihrem Auftritt vor zwei Jahren festgestellt, dass mich das nicht mehr so anspricht. Und ich muss ja nicht zu einem Konzert, nur weil ich partout nichts anderes finde. Und ich fand eben nur diese beiden Dinge an den Abenden. Tagsüber war einfach nichts los. Tja, was macht man da? Wieder keine Karte kaufen und nicht hingehen? Das ist insofern irgendwie blöd, weil ich in Wachwitz wohne, also sozusagen mitten im Epizentrum. Man hängt dann das ganze Wochenende hier fest. Konsequenterweise wollten wir deshalb verreisen. Hat nicht geklappt (der Grund ist hier nebensächlich), deshalb unternahm ich gestern vormittags wenigstens eine Radtour in die Gegend hinter Kamenz, um Schlangen zu fotografieren. Nachmittags war ich zurück und bin dann wenigstens noch zur „Nacht der Lieder“ und später zu „Der Elbhang träumt“ gegangen. War beides ein Reinfall (wen’s interessiert: Erklärung siehe unten). Heute steht also noch „Das blaue Einhorn“ auf dem Programm.
Natürlich wird hier mancher sagen, was ich nur hätte? Da waren doch folgende Bands (ich könnte nun selbst einige Namen einfügen), die an folgenden Stellen spielten … Ja, stimmt. Es wäre auch nicht richtig zu sagen, dass gar nichts los gewesen sei. Aber es ist anders als vor einigen Jahren: Damals versuchte man, die Höhepunkte im Tagesverlauf unter einen Hut zu bekommen, heute sagt man sich, naja – wenn schon nichts weiter ist, sehe ich mir notfalls eben diese Swing-Band da an … Das ist ein Unterschied.
Irgendwie fehlt auch etwas für Jugendliche. Wenn die jungen hippen Betreiber der BMX-Strecke in Pillnitz nicht wären und die Sachen unterhalb der Feuerwache nicht stattfänden, sähe es für die Altersgruppe sehr schlecht aus.
Kritik »Nacht der Lieder«
Im Viertelstundentakt wechselten sich dort 6 Liedermacher bzw. -duos ab. Was ich gut fand: Das Duo „Nellis Elefant“ und Axel Stiller. Der Rest … naja … ging so. Ich habe früher schon oft verwundert festgestellt, dass Liedermacher und Folkmusiker teilweise ziemlich banale oder sogar schlechte Texte als Kunst anboten, gesungen zu durchschnittlichem Gitarrenspiel, und das Publikum klatscht trotzdem. Ich weigere mich aber, Reime zu beklatschen wie „ich geh mit Papa in den Zoo, Zoo, Zoo, da sind wir immer so froh, froh, froh …“. Oder schlechte Politiker-Kritik. Ich bin auch kein Fan von Merkel, aber ein Lied über unsere Kanzlerin mit „ … sie sieht aus wie ein Ferkel, und ihr Name ist M…“ ist mir einfach mal zu blöd. Der Tiefpunkt des Programmes war das Duo „Döhler & Scheufler“. Die haben nur ein einziges Thema: Ihre Liebe zu Gott. Nun habe ich nichts gegen religiöse Musik, aber ich bin ein Freund der Einhaltung von Mindestniveaus. Wenn stattdessen mit großem Pathos inbrünstig Banalitäten besungen werden und das auch noch zu belangloser Musik – nein danke! Dann sollen sich die beiden mal Woven Hand anhören oder bestimmte Sachen von Prince oder meinetwegen Freddy Mercurys „My Life has been saved“. Da kann man hören, dass religiöse Musik durchaus nicht peinlich wirken muss.
Nach dem ersten Durchlauf bin ich gegangen.
Kritik »Der Elbhang träumt«
„Wir alle können eine Verwandlung von Fluss und Wiesen erleben, wenn diese von Tom Roeder in ein nächtliches Traumtheater verzaubert werden“, stand im Programm. Irgendwo hatte ich etwas von einer „Lichtinszenierung“ gelesen, andere Besucher hatten etwas von „Feuerwerk“ gehört. Die meisten dachten, es würde unterhalb des „Gare de la Lune“ stattfinden, was aber nicht stimmte. Am Zielort wusste niemand so richtig, wo man sich nun am besten hinstellen sollte: Blickrichtung Elbe, Hang oder Wiese? Zum Beginn (22:30 Uhr) passierte erst einmal gar nichts. Eine halbe Stunde lang. Warum? Keine Angabe. Auf der gegenüberliegenden Elbseite waren Lautsprecher montiert, über die man ja einmal eine Information hätte durchgeben können, aber nichts passierte. Dann kam aus ihnen endlich unvermittelt eine Erzählerstimme. Es wurde eine Geschichte erzählt, aber visuell passierte weiterhin nichts. Die Geschichte ist übrigens schnell erzählt: Der Mond ist vom Nachthimmel verschwunden, weil er sich in die Sonne verliebt hat. Er ist nun immer tagsüber mit ihr unterwegs und verblasst dabei zusehends. Letztlich überzeugen ihn die Tiere des Waldes – speziell die Bären – mit ihrer Musik, doch wieder nachts zu scheinen. Das wurde also sehr umfassend erzählt, dann kam endlich etwas Visuelles: Ein beleuchtetes Boot mit einem italienisch (?) singenden Mandoline-Spieler. Was das mit der Story zu tun hatte? Wohl nicht viel, aber möglicherweise hatte Herr Roeder gerade einen Mandoline-spielenden italienischen Sänger griffbereit gehabt. Dann gab es wieder eine lange Erzählung, bei der nichts weiter passierte. Und dann kam der leuchtende Mond (ein Ballon) auf der Elbe mit einer Musikergruppe (den Bären), flankiert von beleuchteten Segelbooten. Das sah gut aus, war aber eigentlich auch schon das Wesentliche. Dann gab es eine organisatorische Panne: Der Erzähler sagte, „die Bären spielten ununterbrochen“ (um den Mond in der Nacht zu behalten), aber mehrere Minuten lang spielten die Bären gar nicht. Totenstille. Die Musiker mussten erst langwierig aus dem Boot auf den Pferdewagen umsteigen. Dann fuhr der Mond auf dem Wagen noch ein Stück über die Wiese. „War es das jetzt?“, schienen sich alle zu fragen. Scheinbar. Hatten nicht manche etwas von einem Feuerwerk erzählt? Da es aber zu der Geschichte absolut nicht gepasst hätte, interpretierten das alle Anwesenden als das Ende und gingen. Als die meisten weg waren, ging unten aber tatsächlich noch ein Feuerwerk los.
Da gab es schon wesentlich bessere Aktionen am nächtlichen Elbufer!
„[…] dann kam endlich etwas Visuelles: Ein beleuchtetes Boot mit einem italienisch (?) singenden Mandoline-Spieler. Was das mit der Story zu tun hatte? […]“
Dieser singenden Mandoline-Spieler war der Mond. Quasi ein Sichelmond. Konnte man aber wirklich schwer erkennen. Das Feuerwerk fand ich interessant da es von 5 Positionen geschossen wurde.
Herr Roeder, wer ihn kennt, inszeniert seine Werke mit Pyrotechnik. Er ist Künstler mit der Lizenz zum Pyrotechniker. Also kein Feuerwerker der die Bomben eins nach dem anderen in den Himmel feuert. Sollte man vielleicht wissen. Das Wolle Feuerwerk war ein Gefallen von Freund zu Freund.
Aber eines stimmt, das alles hat ganz schön auf sich warten lassen. Bevor es überhaupt mit dem programm begann, hatte ich rund 6 Feuerwerke gezählt aus Richtung der Schlösser.
falls es dich interessiert, hier mein kurzer Zusammenschnitt plus dem Feuerwerk: http://www.fwk-art.de/20-elbhangfest-2010-zusammenschnitt-der-tom-roeder-inszenierung/
Gruß, René
Edit: Quatsch, das war der Bär der auf der Mandoline trellerte 😀 Hab ich soeben auch erst festgestellt.
Ja, das Video hatte ich sogar schon bei Dir oder auf Youtube gesehen.