Ukrainisches Getreide landet nicht in Afrika, sondern als Schweinefutter in Spanien?
Biergartenbesuch mit Freunden. Nach einer Weile kamen wir leider auf das Thema Ukraine und jemand behauptete, vieles, was man uns erzähle, sei gar nicht wahr. Zum Beispiel sei es eine Lüge, dass die Ukraine Getreide nach Afrika liefere – in Wirklichkeit ginge das alles nach Spanien, wo es an die Schweine verfüttert würde. So ist es, stimmte jemand zu, dazu hätte es sogar in der taz einen Artikel gegeben. Ich entgegnete, dass ich das nicht glaube. Die taz sei bei Landwirtschaftsthemen meist keine gute Quelle. Ich würde am nächsten Tag einmal dazu recherchieren.
Das tat ich dann auch. Lange brauchte ich nicht, um diesen Unsinn zu korrigieren. Fazit: Es werden keine Nahrungsmittel für Afrikaner an spanische Schweine verfüttert.
Als Erstes suchte ich nach dem erwähnten Taz-Artikel. Mit der Vermutung, er sei unseriös, lag ich richtig. In ihm steht, dass Spanien hauptsächlich Mais und Weizen aus der Ukraine einkauft, obwohl Spanien „für den menschlichen Verzehr (…) genügend eigenes Getreide und eigene Körner (produziert). Die Importe gehen somit fast alle in die Tierzucht“.
Klingt das nachvollziehbar? Die Ukraine verkaufte ihre Produkte zu Weltmarktpreisen und die Spanier kaufen auf diesem Markt das Getreide ein, um das dann nur als Tierfutter zu verschwenden? Obwohl der Weltmarktpreis seit Kriegsbeginn sogar stieg? Können die Spanier nicht rechnen?
Aber immerhin: Auch andere Quellen geben an, dass Spanien der wichtigste Käufer ist. Zumindest 2023 lag Spanien vorn. Hauptsächlich wurde Mais gekauft, gefolgt von Weizen.
Doch war das schon immer so? Auch vor dem Kriegsbeginn? Für Weizen kann man sich hier (*) ansehen, wieviel welches Land in welchem Jahr wohin exportiert hat. Spanien spielte für die Ukraine nie eine größere Rolle, Spanien wird immer „unter ferner liefen“ angezeigt. Erstmalig wird Spanien 2022 relevanter. Das dürfte mit der Dürre zu tun haben, denn Spanien hatte durch sie 2022 und vor allem 23 große Ernteausfälle.
(* bei „historical data“, dort bei Exporters „Ukraine“ anklicken)
Bei Mais sieht es anders aus, das kann man hier sehen. Ab den 10er Jahren wurde die Ukraine auch zu einem Exporteur für Mais, vorher spielte dieses Getreide für sie keine Rolle. Seitdem war Spanien einer der Hauptabnehmer, allerdings auch China, Niederlande, Ägypten und andere.
Wurde dieses Getreide als Schweinefutter statt als Nahrungsmittel für Afrikaner verwendet?
Was die taz hier unterschlägt: Bei diesem Mais handelt es sich nicht um solchen, der zur menschlichen Ernährung geeignet ist, sondern um Futtermais. Für den Weizen untersuchte ich das nicht weiter, aber auch da gibt es minderwertigen Futterweizen. Futtermais und Futterweizen taugen nicht als Nahrungsmittel für uns. Man baut diese Sorten entweder gezielt an, weil die Pflanzen auch auf schlechteren Böden gedeihen oder man erhält (vor allem bei Weizen) solches Getreide, wenn die Ernte schlecht ausfällt und der Weizen zu schlechte Eigenschaften für die menschliche Ernährung hat. Dann kann man ihn noch als Futtermittel oder für die Ethanolgewinnung verkaufen, wenn auch mit weniger Gewinn.
Die Ukraine produzierte 2023 bei ihrem Getreide rund 50 % Mais. Das ist hauptsächlich Körnermais. Bei Mais muss man unterscheiden zwischen Silomais, Körnermais und Zuckermais. Nur letzterer ist für uns genießbar (der andere schmeckt nicht), Körnermais kann man immerhin noch zu Speisestärke verarbeiten. Silo- und Körnermais werden hauptsächlich zu Futterzwecken angebaut. Das machen viele Länder, nicht nur die Ukraine. Auch Spanien und wir. In Deutschland haben wir hauptsächlich Silomais auf Maisfeldern, der bei uns als Futter genutzt wird oder in Biogasanlagen landet.
Jedenfalls ist dieser Mais aus der Ukraine kein Nahrungsmittel. Die taz ignoriert das und unterstellt so mit ihrer vereinfachten Aussage, man könne Hungernde in Afrika mit Tierfutter versorgen. Finde ich etwas zynisch.
Abgesehen davon ging es gar nicht so sehr um direkte ukrainische Exporte nach Afrika. Als Problem wurde gesehen, dass die Ukraine einer der wichtigsten Getreideproduzenten weltweit ist. Und wenn ein solcher Produzent ausfällt, hat das Auswirkungen auf die Weltmarktpreise. Reiche Länder können das besser verkraften als arme Länder. Deshalb befürchtete man vor allem negative Auswirkungen auf arme afrikanische Länder, falls die Exporte der Ukraine allgemein ausbleiben würden.