Echtzeiterregung
Also mir gefällt die Geschichte sehr gut. Schon deshalb, weil sie so schön unrealistisch klingt. Man stelle sich vor, ein Buchautor wäre mit derselben Story zu seinem Verlag gekommen: Ein internationaler Konflikt droht zwischen Russland und Deutschland, weil eine 13-Jährige Angst vor einem Schulgespräch hatte und deshalb eine wilde Entführungs- und Vergewaltigungsgeschichte erfand. Da würde doch jeder Verleger sagen: Komm, das überarbeitest Du besser noch mal, das klingt einfach zu unrealistisch. Sowas gibt’s ja in keinem Russenfilm.
Insofern finde ich es ziemlich beeindruckend, dass das 13-jährige Mädchen aus Berlin-Marzahn es mit genau dieser Geschichte allen Ernstes bis in die Abendnachrichten der wichtigsten Fernsehsender Deutschlands und Russlands gebracht hat. Sogar an mehreren Tagen. Und fast schon genial ist es, dass sie auch die Außenminister beider Länder dazu gebracht hat, gegenseitig ihre Verstimmung zu äußern. Das muss man erst einmal hinkriegen!
Insofern meine Hochachtung für die junge Dame. Allerdings möchte ich nicht ihr Vater sein. So viel Boden, in dem er nun sicher vor Scham versinken möchte, gibt es wahrscheinlich in ganz Marzahn nicht.
Was ich aber auch interessant finde, ist die Aufregung, die wir Internetnutzer in den letzten Tagen sofort wieder zeigten. Ich bin ja der Meinung, dass man sich nicht unbedingt immer sofort erregen muss. Das kann man auch noch nach einigen Tagen erledigen, am besten dann, wenn konkrete Fakten vorliegen. Aber wir haben die Angewohnheit, uns stattdessen immer sofort aufzuregen, also quasi in Echtzeit. Man kann so etwas natürlich gern tun, wenn sofort klare Fakten vorliegen. Aber im aktuellen Fall wussten wir eigentlich nicht viel. Nur, dass eine 13-Jährige für 30 Stunden verschwunden war. Mehr wusste niemand. Es war ja keiner von uns in den 30 Stunden dabei (schon klar, für uns Männer ist das auch besser so).
Jedenfalls hatten wir im Internet trotzdem ein unglaubliches Faktenwissen: Das Mädchen hatte Hämatome am ganzen Körper, Schuld waren zwei Türken im Alter von x und y Jahren, andererseits war es aber auch wieder einvernehmlicher Sex … und nun: Pustekuchen! Das war alles nur erfunden.
Na gut, ich gebe es zu: Ich hatte in den letzten drei Tagen einfach nur zu viel zu tun, so dass ich nicht zum mich-Aufregen kam.
Die Paralellen zum „Fall Khaled“ (in Dresden) sind mE unübersehbar.
Damals wollte auch jeder einen fremdenfeindlichen Hintergrund erkennen. bis die Polizei nach weniger als einer Woche einen Landsmann des Opfers als Tatverdächtigen „präsentieren“ konnte.
Nach dem Silvesterabend in Köln hatten Feministen und andere „Verwirrte“ auch nichts Besseres zu tun, als alle Männer in Sippenhaft zu nehmen.
Nun stellt sich in immer mehr Fällen heraus, das es durchaus Falschbeschuldigungen gibt und geben kann.
Die über lange Zeit aufrecht erhaltene „Fassade“ von Feministen und anderen Gutmenschen bröckelt. Endlich, aber zu Lasten tatsächlicher Opfer!