Überstanden: Wir überlebten soeben die größte Krise der Menschheit!
Viele haben es wahrscheinlich wieder einmal gar nicht bemerkt, aber wir hatten in den letzten Tagen die größte Krise seit der Kuba-Krise, oder besser: Den gefährlichsten Moment in der Geschichte der Menschheit!
Es geht um Fukushima. Ich will die Ereignisse in dem AKW und die geballte Ladung Inkompetenz von TEPCO nicht verharmlosen. Aber ich finde es andererseits auch immer wieder beeindruckend, mit welche Selbstverständlichkeit Blogger und „Netzaktivisten“ unkontrolliert Texte voneinander abkopieren und verbreiten, nur weil angeblich schockierende Wahrheiten darin enthalten sind, welche die Massenmedien unterdrücken. Beeindruckend finde ich das deshalb, weil anscheinend keiner auf die Idee kommt, dieses Internet, vor dem man ja zwecks Schock-Nachrichten-Weiterverbreitung gerade sitzt, einmal für eine ganz andere Sache mit einzusetzen: Für Recherche. Man könnte immerhin auch einmal den Wahrheitsgehalt besonders drastischer Aussagen überprüfen … aber dafür bleibt offensichtlich keine Zeit, denn man muss ja Petitionen gegen „Die da oben“© starten.
Was ist passiert? Am 01.10.13 schrieben die (Praktikanten der ?) „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“, uns stünde die „größte Krise der Menschheit“ bevor, was sie – wie viele Blogs – von einem Text der Netzfrau Fee Striefler übernommen hatten, die wiederum einen dramatischen Artikel von Harvey Wasserman ins Deutsche übersetzt hatte. Wasserman ist ein bekannter Atomkraft-Gegner. Könnte man nicht schon deshalb auf die Idee kommen, dass er Dinge möglicherweise etwas zu schwarz an die Wand malt? Wenn umgekehrt TEPCO behauptet, man hätte alles im Griff, dann melden wir ja auch Zweifel an. Jedenfalls steht uns in 60 Tagen schlimmes bevor. Was nach der Zeit konkret passieren soll, bleibt zwar unklar, aber die „Wirschafts Nachrichten sahen etwas noch viel Schlimmeres: Tropenstürme ziehen auf Fukushima zu!
Mir fiel beim ersten Lesen des übersetzten Wasserman-Textes folgende Stelle am deutlichsten auf (hier auf das Wesentliche gekürzt):
Abgebrannte Brennelemente müssen unbedingt unter Wasser aufbewahrt werden. Die darin enthaltenen Brennstäbe sind mit einer Zirconium-Legierung ummantelt, die sich, wenn sie mit Luft in Berührung kommt, spontan entzündet. Zirconium wurde früher in Blitzlampen für Fotoapparate verwendet und verbrennt mit extrem heller und heißer Flamme. (…)Eine Feuersbrunst könnte das ganze Bedienungspersonal dazu zwingen, aus (dem Kernkraftwerk) Fukushima zu fliehen und die havarierte Anlage unkontrolliert sich selbst zu überlassen. Nach Aussage des Ingenieurs Arnie Gundersen, der 40 Jahre in der Atomindustrie gearbeitet und Brennstäbe für sie hergestellt hat, sind die abgebrannten Brennstäbe aus dem Kern der Einheit 4 verbogen, beschädigt und so brüchig, dass sie zu zerbröckeln drohen.
Mit Überwachungskameras wurde festgestellt, dass in dem beschädigten Kühlbecken bereits eine beunruhigende Menge von Bruchstücken liegt. (…) Wenn der Versuch scheitert und die Brennstäbe mit Luft in Berührung kommen, werden sie sich entzünden und Radioaktivität in unvorstellbarer Menge in die Atmosphäre freisetzen. Die Kühlwanne könnte auch zusammen mit den Brennelementen auf den Boden stürzen; der sich dort auftürmende, Radioaktivität abstrahlende Schuttberg könnte sogar explodieren.
Bin ich der Einzige, dem es seltsam vorkommt, dass die Entwickler von Atomkraftanlagen die Brennstäbe ausgerechnet mit einem derartig gefährlichen Material umhüllen, welches sich nur durch Luftkontakt selbst entzündet und verheerende Atomkatastrophen auslösen würde? Wie schon erwähnt: Man könnte ja mal auf die Idee kommen, im Netz nach „Zirkonium“ zu suchen. Dann würde man schnell entdecken:
1. Zirkonium (oder Zirconium) wird auch in chemischen Anlagen eingesetzt, wo es ähnlich irrsinnig wäre, ein an Luft bei Raumtemperatur selbstentzündendes Material zu verwenden.
2. Zirkonium reagiert zwar auch schon bei Raumtemperatur mit Sauerstoff und bildet dann eine ganz normale Oxidschicht. Es brennt allerdings erst bei erhöhtem Druck von 25 bar. 25 Bar werden durch einen Sturm noch lange nicht erreicht. Damit man eine Vorstellung hat: Mit nur 5 bar ist ein Fahrradreifen schon sehr hart aufgepumpt. Zirkonium kann zwar auch bei Normaldruck in Brand geraten, allerdings nur in Pulverform oder wenn während der spanenden Bearbeitung frische Späne entstehen. Ansonsten brennt das Element erst bei erhöhten Temperaturen. Zirkonium ist an der Luft durch eine dünne, sehr dichte Oxidschicht geschützt und deshalb reaktionsträge, kann in kompakter Form also nicht einfach so in Brand geraten. Die sich selbst bildende Oxidschicht bewirkt, dass sich auch neu bildende Risse im Material schnell wieder mit einer schützenden Oxidschicht bedecken würden, wenn z.B. ein Brennstab verbogen wird und aufreißt.
3. wird für Brennstäbe kein reines Zirkonium verwendet, sondern eine spezielle Legierung. Legierungen können dazu führen, dass die Eigenschaften des verwendeten Hauptmaterials sehr verändert werden. Möglicherweise haben sich die Entwickler dieser Legierung etwas dabei gedacht, als sie sie für Brennstäbe entwickelten. In der sehr geheimen, nur nach stundenlanger Recherchetätigkeit auffindbaren Seite „Wikipedia“ erfährt man mehr über diese Legierung „Zircaloy“: „Diese Legierung besteht aus ca. 90 % Zirconium und geringen Anteilen an Zinn, Eisen, Chrom oder Nickel (…). Der Grund für die Wahl dieses Elements ist der schon oben beschriebene geringe Einfangquerschnitt für thermische Neutronen bei gleichzeitig großer Korrosionsbeständigkeit.“
4. Selbst wenn sich die Hülle eines Brennstabes entzünden sollte – was würde dann mit dem Kernbrennstoff Uran(IV)-Oxid passieren? Wikipedia dazu: „Uran(IV)-oxid-Luft-Gemische (Staubwolken) sind explosionsfähig, als feines Pulver reagiert es heftig mit der Luft unter Freisetzung von Wärme (pyrophor). Hierbei verbrennt es zu Triuranoctoxid U3O8.“
Klingt schlimm, allerdings betrifft es wieder nur pulverförmigen Stoff. In Reaktoren ist das Uranoxid in kompakter Tablettenform in den eigentlichen Brennstab eingefügt. Das brennt nicht. Es würde eher herunterfallen und vielleicht vorher noch schmelzen (ab 2865 °C). Das wäre freilich auch nicht toll, würde aber nicht zu dem beschriebenen Schreckensszenario führen.
Die anderen übertriebenen oder auch falschen Punkte in Wassermans Text haben die Leute der AG Nukleria von der Piratenpartei kommentiert (stellenweise allerdings nur sehr kurz).
Ich denke, dass wir den gefährlichsten Moment der Menschheitsgeschichte aber bereits überstanden haben, weil der alles noch viel schlimmer machende, verheerende Tropensturm schon wieder vorbei ist. Da in Japan solche Naturereignisse gar nicht so selten sind, kann man bei der „Japan Meteorolocical Agency“ die Stürme sehen und beobachten. Der angeblich so schreckliche „Tropical Cyclone 1322“ wurde mit „Intensity LOW“ eingestuft und war den Medien deshalb wohl auch keine Erwähnung wert.
Hey , Danke für diesen Beitrag. Das hatt mich ein bisschen beruhigt 🙂 Aber ich bin 13 und hab sehr schwache nerven und die ganze Sache nimmt mich ein bisschen mit :/ Mir ist klar das die Menschheit mal an ihrem eigenen Dreck stirbtb, aber ich hoffe sehr dass das noch nicht jetzt ist 🙁 Kannst du mich da vielleicht ein bisschen beruhigen ? Mit freundlichen Grüßen masterlt4
Nicht nur Uran(IV)-oxid kann explodieren. Auch andere Stoffe in Pulverform sind reaktionsfreudig.
Kohlenstaub zum Beispiel. Früher hat es in den Chemiebuden deshalb immer wieder mal geknallt. Und zwar richtig. Ich hatte mal (Jahrzehnte her) Kontakt mit einer Frau, die sowas überlebt hat. Das war für sie wirklich nicht spaßig. Dabei hatte sie noch Glück im Unglück, andere konnten hinterher nichts mehr erzählen.
Dass jemand durch die Explosion von Uran(IV)-oxid zu Schaden gekommen wäre, habe ich jedoch noch nie gehört.
Ja, da gibt es noch viele Stoffe, die in Pulverform explodieren können. Harmlos erscheinendes Mehl zum Beispiel. Und ich habe auch noch nie von einem Unfall durch explodierendes Uranoxid gehört 🙂
Sehr guter Artikel Frank, sehr gut recherchiert und endlich mal den Sensationsjournalisten erklärt was für einen Mist sie täglich verzapfen um Menschen dazu zu bringen ab morgen mit Kerzen zu Hause zu sitzen. Sicherlich, Fukushima war und ist schlimm und sollte langfristig zu einem Umdenken bewegen. Aber nicht in dieser überhasteten Art und Weise und auf dem Rücken der Bürger …
Unabhängig davon explodiert JEDER Staub, theoretisch auch der Hausstaub zu Hause, ist er nur in einer entsprechenden Konzentration und Temperatur vorhanden. Diese Problematik wird oft unterschätzt und ist deutlich gefährlicher als eine Gasexplosion. Kohle- und Mehlstaub und Sägemehl sind hier besonders problematisch. Leider kann man Staub nicht so einfach detektieren wie Gas.
Nochmal danke für den aufschlussreichen Artikel, Grüße
Hey Frank,
Dein Anliegen kann ich gut nachvollziehen und ich finde es gut, wenn Du Fälle mangelnder Recherche aufdeckst.
Bei dem Thema ist mir nicht so nach Entwarnung und Beruhigung zu Mute. Mein Vertrauen in die Entwickler von Atomkraft-Anlagen ist in den letzten Jahren nicht gerade gestiegen. Wie schlau war es, die abgebrannten Brennelemente der letzten Jahrzehnte auf dem Gelände der Anlage zu lagern (mangels Endlager) und dann auch noch in einer der oberen Etagen?
Bei Thema Fukushima ist ganz bestimmt nicht Entwarnung und Beruhigung angesagt. Japan hatte ohnehin Glück, dass die ersten großen Emissionen durch den günstig stehenden Wind auf den Ozean getragen wurden. Nicht auszudenken, wenn das alles landeinwärts gegangen wäre … Eigentlich halte ich moderne AKW für eine ziemlich sichere Sache. Aber in Japan scheint eine Menge schief gegangen zu sein, was man nur unter grobe Fahrlässigkeit bis Inkompetenz verbuchen kann – mein Favorit ist immer noch, dass die nachgelieferten Notstromaggregate nicht verwendet werden konnten, weil sie keine passenden Anschlüsse hatten. Dass einige Maßnahmen so improvisiert wirkten, ist bei einem AKW, welches in einem erdbeben- und tsunamigefährdeten Gebiet liegt, nicht nachvollziehbar. Das sah aus, also hätte man nie Notfallpläne geübt. Und die Brennelemente der letzten Jahrzehnte dort zu lagern, war sicher auch keine Meisterleistung.
Oh je, den Netzfrauen geht schon wieder die Phantasie durch: „Nun ist es bestätigt: Die DNA aus genetisch veränderten Pflanzen wird durch die Nahrung auf den Menschen übertragen“
DNA von gegessenen Lebewesen überträgt sich auf den Körper? Wenn sich Gensequenzen aus der Nahrung in den Körper übertragen könnten, dann müsste man Angst haben, jemals Hühnerfleisch oder Pflanzen zu essen … nicht dass einem noch Federn wachsen oder sich Chlorophyll in der Haut bildet. Wobei … stimmt ja, das zeigt die Realität: Vegetarier bekommen alle eine grüne Haut und Bratwurstesser haben deutliche Borstenbildung auf dem Rücken 😉
Mal ernsthaft: Wo in der Natur kann man diesen Effekt sehen? Dann müssten alle Lebewesen, die andere Lebewesen fressen allmählich Merkmale der anderen gefressenen Lebewesen in sich aufnehmen. Die Folge wäre über die Jahrtausende hinweg gewesen, dass sich die unterschiedlichen Arten zu einer Art Durchschnittstier entwickelt hätten. Beziehungsweise dass es nie zu einer Evolution gekommen wäre, denn jegliche Mutation hätte sich immer gleich wieder in Richtung des Durchschnitts ausgeglichen.
Mann, mann, mann* … Im Magen-Darmtrakt werden die immer gleichen vier Nukleinsäuren alle verdaut, unabhängig von ihrer vorherigen Reihenfolge in der DNA. Im Körper erfolgt keine Kontrolle, in welcher Reihenfolge die DANN-Bestandteile vorlagen, er hat keine Datenbank, die vor dem Verdauen noch die korrekte Reihenfolge der Gene kontrolliert. Selbstverständlich wird man auch Nahrungsreste in der Blutbahn finden, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sich dort zu findende DNA-Reste aus der Nahrung in der körpereigenen DANN in den Zellkernen einlagert.
(* Bzw. Netzfrau, netzfrau, netzfrau …)
Ich fand früher die BILD schlimm, bis ich den Kopp-Verlag kennenlernte. Ich hätte nicht gedacht, dass der noch überboten werden könnte, aber Meldungen der „Netzfrauen“ haben diesen Grad des Schwachsinns tatsächlich toppen können.