Steigende Burnoutgefahr für Politikexperten durch Bundestagswahl!
Nach fast vier Jahren Ruhe plötzlich ungewohnten Stress erleben – kein Wunder, dass für Politiker die letzten Tage vor der Wahl eine Herausforderung darstellen. Doch nicht nur sie sind dann oft kurz vor dem Zusammenbrechen. Eine weitgehend unbeachtete aber viel stärker gefährdete Gruppe sind die vielen Sachverständigen, die an Wahlsonntagen vor laufenden Kameras Erklärungen abgeben müssen, warum das Ergebnis für sie logisch absehbar war.
„Der Zeitaufwand für das Schreiben der vielen Analysen ist gigantisch“, erläutert Politik-Experte Dr. Berger, „denn woher sollen wir vorher wissen, wer die Wahl gewinnt? Freilich machen wir ständige Umfragen, aber es kann ja trotzdem alles ganz anders ausgehen. Deshalb müssen wir logischerweise alle Analysen in zwei Varianten schreiben, um nachher völlig selbstverständlich erklären zu können, warum ganz klar absehbar war, dass z.B. die CDU gewonnen oder verloren hat.“
„Wenn es nur zwei Varianten wären“, stöhnt sein übernächtigt aussehender Praktikant Holger S., „wir haben es ja nicht nur mit zwei Parteien zu tun. Beispielsweise kann die momentane Regierungskoalition Schwarz/Gelb insgesamt stärker oder schwächer werden, was wir erklären können müssen. Davon könnte die CDU Stimmen von der FDP erhalten haben oder umgekehrt – das sind schon vier Varianten und da habe ich noch gar nicht die Kombinationen der anderen Parteien mit drin …“
„Stimmt, Tatsache! Jedenfalls muss das dann ja auch alles sehr fachmännisch klingen“, so Dr. Berger, „wenn ich erkläre, warum es absehbar war, dass die CDU trotz ihrer Leihstimmenkampagne an der 5%-Hürde scheitern musste … sei doch mal still, Holger! Was? Ach so, ja, diese andere … die andere Partei da … der Name liegt mir auf der Zunge … na, Sie wissen schon …“
Man sieht: Die nervliche Anspannung der Fachleute ist unglaublich. Am Wahlabend erreicht sie den Extrempunkt, wenn die Sachverständigen die ersten Erklärungen abgeben müssen und dabei die ganze Zeit das Wissen im Kopf haben, dass das alles nur vorläufige Hochrechnungen sind, die sich im Studiohintergrund auch während der Analyse jederzeit noch live ändern können …
„Es ist kein Wunder, dass so viele dieser Menschen am Tag danach mit Burnout eingeliefert werden und anschließend zu uns kommen,“ kommentiert Max Schmidt, Leiter der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Wahlphobie. „Die vielen Unwägbarkeiten machen das Expertenleben zur Hölle. Was ist, wenn Andrea Nahles plötzlich wieder singt? Gut, dann lässt sich immerhin leicht erklären, woran das schlechte Wahlergebnis der SPD gelegen haben muss. Es ist trotzdem nervenaufreibend, dann nie den falschen Notizzettel mit der Analyse aus der Tasche zu ziehen. Oder was ist, wenn Angela Merkel mitten am Wahltag plötzlich wieder mit Achselschweißfleck oder Dekolleté gesehen wird und die CDU deshalb absackt? Und wenn dann gleichzeitig noch über Twitter bekannt wird, dass die Piraten die ersten Wombats an ihre Wähler verschenkt haben und deshalb Stimmenzuwachs erhalten? Dann noch schnell genug völlig neue Analysen improvisieren ohne einen wirren Blick zu bekommen … ich möchte diesen Knochenjob nicht machen! Da bleibe ich lieber Brandschutzbeauftragter beim BER.“
Diese Schattenseite der Demokratie sollte endlich von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden. Es ist an der Zeit!
Dieser Stress vor und während der Wahl erklärt, warum die meisten Experten am Wahlabend nur noch aus dem Kleinhirn heraus argumentieren 😉
🙂
Ich verstehe den Stress nicht so ganz. Für diese Analysen müsste es doch längst Apps oder zumindest Software für größere Rechner geben. Wahlplakate auf dem Niveau des 2013er-Wahlkampfes kriegt man ja auch mit Plakategeneratoren hin, die ein paar Allgemeinplätze nach dem Zufallsprinzip kombinieren. So ähnlich müsste es mit den Analysen auch gehen. Für gestresste Menschen sind die Kombinationen gefährlich, für Software durchaus überschaubar.
Und dazu kommt: Es ist im Grunde völlig egal (und nach ein paar Stunden vergessen), was heute nach 18.00 Uhr erzählt wird. Zu kaum einem Zeitpunkt ist eine intelligente Stellungnahme so nutzlos wie an einem Wahlabend.
@Wolf: Ich glaube nicht, dass man Wahlplakate auf dem Niveau dieses Wahlkampfs mit Software erstellen kann. Für solche Plakate braucht es wohl platt denkende Menschen in Parteizentralen, PR- und Werbeagenturen. Man kann diese Plattheit nicht programmieren 😉
@ Wolf: Solche Software gibt es bereits 🙂 Ich empfehle, einfach mal ein paar der Lösungen zu testen, die hier (Jan. 2016: nicht mehr online) unter „Verwandte Links“aufgeführt sind. Da kommen durchaus Sachen heraus, die man auch aus Expertenmündern hören könnte. Auf dieser Seite bekommt man auch eine Ahnung, wie Merkelsche Reden zustande kamen 😉
@Frank, besten Dank für die Links! Damit könnte man ja eine Politikerkarriere … nein, ich spiele lieber „Bullshit-Bingo“, während ich gesalbten Reden lausche.
So lustig ist das gar nicht. Ich hatte Anfang der 90er mal einen Kollegen, der sich auch in der Politik betätigte. Und ich erwähnte eines Tages aus Spaß, dass ich in einem Buch* einen Phrasengenerator hätte, wo man aus drei Tabellenspalten völlig sinnlose, aber fachmännisch klingende Sätze konstruieren könnte. Der betreffende Kollege fragte, ob ich ihm das mal leihen könne? Allerdings war er nicht aus Spaß interessiert, sondern weil er es offensichtlich ernsthaft verwenden wollte.
(* Irgendeine Ausgabe der DDR-Reihe „ad libitum, Sammlung, Zerstreuung“)
Wie spricht man SPD, Frau Schwesig ?
Die nächste Wahl steht ja im Herbst an. Die SPD ist mit ihrem Martin Schulz derzeit im Höhenflug, von Schattenseiten der Demokratie spürt man da nix. Aber von Demokratie kann man ja nicht genug haben und deshalb nimmt sich die Genossin Schwesig der Sache an. Und damit es auch der Dümmste begreift, gibt sie eine Anleitung:
Genossin Schwesig hat sich ihre Sache nicht leicht gemacht und geht auf Nummer sicher:
Bleibt das Problem, Herr Stauber : Wie spricht man bee emm eff ess eff jott ?
Da erklärt Frau Schwesig schon einmal alles ganz genau, und nun meckern wir Wähler auch wieder herum 😉 Allerdings finde ich „Leichte Sprache“ nicht falsch, denn so kann man Menschen erreichen, die Lernschwächen oder auch leichte geistige Behinderunge haben. Im vorliegenden Fall wird es aber ziemlich übertrieben – wie man z.B. i meel ausspricht, hätte man nicht noch einmal erklären müssen.
Noch ´ne Scherzkeksin
Nichts gegen leicht verständliche Sprache, ich denke da an Hemingway.
Aber muß eine Ministerin solch´ sicher teuer geprüften Unsinn veröffentlichen?! Für Lernchwächen/Lernbehinderung gibt es genügend Einrichtungen.
Aber die SPD hat in diesen ernsten Zeiten noch einen weitere Scherzkeksin an der SpaßFront: Umweltministerin Barbara Hendricks erdichtete oder ließ erdichten: Neue Bauernregeln.