Bio- und anderer Wein
Das gestern Abend war also Bio-Wein. Es ist nicht so, dass ich im Internet nachsehen wollte, wie teuer diese geschenkte Flasche war, ich kannte die Marke lediglich nicht. Ich fand sie hauptsächlich im Angebot von Bio-Weinhändlern. Kein Wunder, dass ich sie nicht kennen konnte! Auf dem Etikett stand “made with organically grown grapes” – also “hergestellt mit biologisch gewachsenen Trauben”. Wie sollen Trauben auch sonst wachsen, wenn nicht biologisch? Und wie kann Wein überhaupt „Bio sein? Wein ist doch – genau wie Bier – ohnehin schon ein sehr natürliches Lebensmittel …
Diese Frage stellte vor wenigen Monaten auch ein Dresdner Winzer, als ihn bei einer Verkostung jemand fragte, warum er nicht auch ein paar Bio-Sorten im Angebot hätte: „Wie kann denn Wein Bio sein?“ Das fand ich angenehm offen, denn solche Fragen stelle ich mir auch gern. Wie schon erwähnt, ist jeder Wein eigentlich bereits ziemlich „Bio“ – andererseits ist Weinproduktion aber grundsätzlich nicht „Bio“. Denn Weinanbau ist nicht ohne den Einsatz von Chemie möglich, ansonsten verliert man zu viel an den Pilz „Falscher Mehltau“. Eine im industriellen Maßstab anwendbare Bekämpfungsmethode ohne Chemie ist noch nicht bekannt. Hauptsächlich verwendet man Kupferverbindungen. Und Weinanbau ist auch nicht „Bio“, wenn man darunter Ökologie im Sinne von Artenvielfalt oder Naturschutz versteht: Weinanbau führt zur großflächigen Veränderung von Landschaft und zu einer Verringerung der Artenvielfalt. In meiner Heimatstadt Dresden existiert ein anschauliches Beispiel: Der Elbhang. Heute wieder, wie einst, mit feuchten kühlen Laubwäldern bewachsen, waren große Teile davon zwischendurch heiße, trockene Weinberge. Wo sich in dieser Zeit bestenfalls Eidechsen wohlfühlten, ist heute wieder eher eine Gegend für Amphibien und noch viele andere Tierarten. Wie kann Wein da als „Bio“ durchgehen?
Das geht durchaus – man muss nur die Messlatte für dieses Kriterium ausreichend niedrig legen. Im Fernsehen kam letztes Jahr ein Bericht über die Weinanbaugebiete der Pfalz, wo auch ein Bio-Weinersteller gezeigt wurde. „Bio“ war sein Wein deshalb, weil er bei Kontrollgängen nicht mit dem Traktor oder dem Jeep in seine Felder fuhr, sondern dazu das Pferd nahm. Klingt überzeugend! Chemie muss er natürlich trotzdem einsetzen.
Zufälligerweise verbrachten wir kurz darauf den Herbsturlaub in der Pfalz. Und ebenso zufälligerweise nahmen wir dort an einer Weinverkostung teil, die wohl eher kein Bio-Siegel erhalten dürfte. Im Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof konnten wir ein paar Sorten Wein probieren, die der Forschung entstammten und deshalb durchaus schon einmal Bezeichnungen wie „Gf.Ga-47-42“ auf dem Etikett trugen.
Man macht an diesem Institut kurz gesagt folgendes: Man untersucht, warum manche Reben bestimmte Merkmale haben, warum sie also z.B. weniger anfällig sind auf Mehltau. Oder woher bestimmte Geschmacksnoten kommen. Das wird genetisch analysiert, anschließend versucht man das auf andere Reben zu übertragen. Auch wenn dieses anrüchige Wort auf der Seite des Institutes nicht auftaucht, hat das durchaus etwas mit Gentechnik zu tun.
(Nachtrag Dez. 2013: stimmt nicht, siehe Kommentar)
Und damit habe ich gar kein Problem. Es kommt dabei – wie auch bei jeder anderen Technologie – schließlich darauf an, was man damit macht*. Wenn durch eine Beeinflussung von Weinpflanzen erreicht wird, dass im Kampf gegen den Mehltau weniger Kupferverbindungen versprüht werden müssen, dann ist das positiv für die Natur: Kupfer baut sich nicht ab, reichert sich im Boden an und vergiftet Mikroorganismen und andere im Boden lebende Tiere. Das zu vermeiden, fällt für mich durchaus unter „Öko“ und sollte viel eher für ein „Bio“-Siegel infrage kommen als Wein, den man vom Pferd aus mit Kupfer besprüht hat.
Gf.84-58-988 erwies sich als „nicht so mein Fall“, aber von den anderen Sorten nahmen wir uns einen kleinen Vorrat mit. Der eingangs erwähnte Bio-Wein war übrigens nichts Besonderes. Aber das kann freilich auch Zufall gewesen sein. Der nette Spender hatte immerhin ausdrücklich erklärt, sich damit nicht auszukennen.
(* Beispiel: Wenn man statt mit Gentechnik klassische Zuchtmethoden verwendet, um Tiere zu züchten, die unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen, weil sie möglichst viel Fleisch liefern sollen, dann sind das Ergebnis und bereits die Bestrebungen in beiden Fällen verwerflich. Wenn man stattdessen eine Pflanze züchten will, die weniger Pestizide erfordert, verschenkt man mehrere oder viele Jahre, wenn man das Ergebnis auch viel schneller durch Gentechnik haben könnte.)
Ein interessanter Beitrag. Leider sind die Aussagen in Bezug auf die Gentechnik falsch. Die Zuchtstämme Gf.Ga-47-42 und Gf.84-58-988 sind konventionell gezüchtet worden und aus Kreuzungen entstanden. Sie dürften nicht im Freiland geprüft werden, wäre Gentechnik eingesetzt worden.
Danke für den Hinweis. Mir ist jetzt beim nochmaligen Durchlesen aufgefallen, dass ich das Wort Gentechnik hier tatsächlich etwas zu pauschal verwendet habe. Naja, Halbwissen eben 😉