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Rudolf Zimmermann – ein vergessener Naturforscher aus Sachsen

Anfang des letzten Jahrhunderts gab es in Sachsen einen wichtigen Pionier im Bereich der der Tierfotografie. Leider kennt kaum noch jemand seinen Namen, geschweige denn seine Bilder. Bestenfalls Ornithologen könnten noch einige Fotografien bekannt sein. Bildbände existieren nicht, man findet auch nichts davon im Internet. Der Mann war aber nicht nur ein engagierter Fotograf, sondern auch Naturforscher und -schützer, Heimatforscher und Schriftsteller. Seine Aktivitäten führten zur Gründung des Vereins  Sächsischer Ornithologen, er war beteiligt an der Gründung des ersten Vereins herpetologisch Interessierter in Dresden, später war er noch Gründungsmitglied der „Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“.

Ich stieß kürzlich im Rahmen eines Projektes auf den Namen Rudolf Zimmermann, als ich für einen Blog Textmaterial über ihn suchte. Die Internetrecherche brachte nur wenig zu Tage und Literatur existiert kaum. Aber die Beschäftigung mit diesem Thema wurde für mich bald immer interessanter. In dem einzigen Buch über ihn steht imVorwort:

„Aus heute unerklärlichen Gründen tauchte der Name Rudolf Zimmermann in einschlägigen Büchern der Nachkriegszeit (…) wie Rammners (1954) „Tierwelt der deutschen Landschaften“ oder „Brehms Tierleben“ des Urania-Verlages (1955) nicht unter den Bildautoren auf, wohl aber die Landesbildstelle Sachsen in Dresden und die Staatliche Fotothek Dresden. Beide Einrichtungen dürften Naturaufnahmen Zimmermanns in Hülle und Fülle besessen haben, doch bei der Weiterverwendung wurde der Name des Bildautors nicht mehr genannt, weil die Autorenrechte „verkauft“ waren. (…)Während Rudolf Zimmermann als Bildautor hinter den zitierten Quellen „Landesbildstelle“ oder „Staatliche Fotothek“ in der Anonymität versank, schienen andere Autoren das Vorhandensein meisterlicher Vogelaufnahmen aus der Oberlausitzer Teichlandschaft einfach ignoriert zu haben.“

Zimmermann verfasste unzählige Schriften, schrieb Bücher und gab eigene Zeitschriften heraus und beschäftigte sich dabei auf so unterschiedlichen Gebieten wie Heimatgeschichte,  Mineralogie und vor allem mit der Tierwelt. Auch bei dieser waren seine Interessen und seine Wissensvermittlung sehr breit gefächert, er erforschte und beschrieb Säugetiere, Reptilien und Amphibien, vor allem aber Vögel.

Er war oft in der Lausitz unterwegs, z.B. in der Nähe von Kamenz, um dort im Schilf der Teiche Vögel zu fotografieren. Das war mit der damaligen Technik eine sehr zeitaufwändige Tätigkeit, denn extreme Teleobjektive, mit denen man aus großer Entfernung fotografieren konnte, gab es damals noch nicht. Zimmermann musste  mit Tarnvorrichtungen nahe an die Nester heran und dazu die Vögel teilweise mit Kamera-Atrappen allmählich an seine Anwesenheit gewöhnen.

Gibt es über Rudolf Zimmermann wenigstens einen Wikipedia-Artikel? Nein. Und selbst im Wikipedia-Artikel über seinen sächsischen Geburtsort Rochlitz wird der „Schlangenmann vom Rochlitzer Berg“ noch nicht einmal unter „Persönlichkeiten“ erwähnt. Immerhin hat man dort eine Straße nach ihm benannt, ach nein – nur einen Weg.

Einige wesentliche Daten kann man in dem Artikel lesen, den ich aus den wenigen Quellen zusammengestellt habe. Beeindruckend an seiner Geschichte ist, dass er nicht wie viele andere berühmt gebliebene Naturforscher aus einem reichen Elternhaus stammte, welches ihm seine Studien und Naturforschungen finanzieren konnte, sondern dass er aus sehr einfachen Verhältnissen stammte. Geboren wurde Rudolf Zimmermann 1878 als Sohn eines Aussichtsturmbetreuers auf dem Rochlitzer Berg, wo er seine Jugend verlebte. Ein Studium konnten ihm seine Eltern nicht ermöglichen. Er musste deshalb später einer ganz normalen Arbeit nachgehen. In seiner Freizeit widmete er sich seinen autodidaktischen Forschungen und seiner schriftstellerischen Arbeit für verschiedenste Zeitschriften. Zusätzlich unternahm er bei jeder Gelegenheit Exkursionen in verschiedene Gegenden Sachsens – vor allem zog es ihn immer wieder in die Lausitz. Da er auch eine sehr umfangreiche Korrespondenz mit anderen Naturfreunden unterhielt, mutet es unvorstellbar an, wann er diese vielen Texte eigentlich geschrieben haben soll. Aber immerhin ermöglichten ihm diese Veröffentlichungen später ein ausreichendes Auskommen, so dass er ausschließlich davon leben konnte – wie seine Briefe zeigen, allerdings weit entfernt von finanziellem Reichtum.

Für mich beeindruckend wurde bei der Recherche auch, dass damals der Informationsfluss zwischen Naturinteressierten mindestens schon ganz genauso gut funktioniert haben muss, wie heute. Heute kann jeder problemlos eine Internetseite starten, wenn er der Welt etwas mitteilen möchte. Damals musste man Bücher schreiben, Artikel in Zeitschriften veröffentlichen oder eigene Zeitschriften herausgeben. Auch Zimmermann startete immer wieder einmal eigene Zeitschriften. Das kostete Geld und war mit Aufwand verbunden. Doch offensichtlich wurden diese Texte gelesen! Das ging soweit, dass auch in Zeitschriften publiziert wurde, die nicht unbedingt zum Fachgebiet gehörten. Beispielsweise findet sich in der „Fischerei-Zeitung 24, Neudamm 1924, S. 260-263“ ein Artikel Zimmermanns über „Das Vorkommen der Sumpfschildkröte im Gebiet des ehemaligen Königreichs Sachsen“. Ein Artikel über Reptilien in einer Fischerei-Zeitung? Das würde heute kein Reptilienfreund wahrnehmen. Aber damals scheint diese Information angekommen zu sein. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass der Informationsfluss damals möglicherweise besser funktioniert hat als heute.

Man muss dabei auch bedenken, dass die Hauptzeit seines Schaffens in die (für naturwissenschaftliche Forschungen und verlegerische Tätigkeit völlig ungünstige) Zeit des Ersten Weltkrieges fiel. Dem folgte die wirtschaftlich schwierige Zeit nach dem Krieg, der sich wiederum bald die Gewalt der Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg anschloss.

Ein weiteres interessantes Detail: Zimmermann erhielt für seine Fotoarbeiten ein Gerät aus der Serie der ersten produzierten Spiegelreflexkameras. Gesponsert, wie man heute sagen würde. Diese Kamera stammte von der Dresdner Firma R. Hüttig & Sohn (ICA), von der ebenfalls nur noch wenig bekannt ist. An diesem Gerät, welches Bilder im 6×9-Format erzeugte, hielt er bis zum Schluss fest. Auch als längst Kleinbildkameras aufgekommen waren, die durch ihr geringes Gewicht und durch besser produzierbare Teleobjektive viel günstiger für Tierfotografie waren, blieb Zimmermann seinem alten – wie er schrieb „unverwüstlichen“ – Apparat treu. Als fototechnikinteressierter Dresdner rief ich nach dieser Entdeckung in den Technischen Sammlungen Dresden an, da ich in meinen Artikel gern ein Foto dieser Kamera eingefügt hätte. In den Technischen Sammlungen gibt es eine ziemlich umfangreiche Sammlung ehemals in Dresden produzierter Fotoapparate. Ich fragte, ob auch diese Hüttigsche Spiegelreflex-Kamera mit in der Sammlung sei? Doch man sagte mir mit Bedauern, die fehle leider. Man sei selbst sehr interessiert an so einem Gerät.

Aber wie das so ist mit der Recherche (und mit Zufällen): Inzwischen weiß ich nicht nur, wo eine solche Kamera steht, sondern ich weiß außerdem, dass das sogar die Original-Kamera von Zimmermann ist …


Literatur über Rudolf Zimmermann (leider nicht mehr im Handel): „Rudolf Zimmermann“ von Hans Christoph Stamm und Jens Hering. Herausgegeben vom Verein Sächsischer Ornithologen e.V.  – „Mitteilungen des Vereins Sächsischer Ornithologen, Band 10, 2007, Sonderheft 1“

Dieses Buch (450 S.) enthält auch die umfangreiche Korrespondenz Zimmermanns.

6 Comments

  1. Du bist auf seinem Namen gestoßen, als du nach ihm gesucht hast? 😉 Der oder das Blog?! 😀
    Btw.: So wie du den Herrn Zimmermann hier beschreibst, erfindet man Figuren für fiktive Geschichten. Nachweise sind leider alle vernichtet wurden. Die politischen Umstände legten einen anderen Wertekanon fest, Namen übertünscht. Natürlich hier, seht her, man kann sein Wirken heute noch sehen, indirekt. Mit dieser Kamera hat er geschossen. In diesen Straßen ist er auf und ab gegangen. usw usf.
    Also nicht falsch verstehen! 🙂 Ich meine halt nur, so würde ich vorgehen, wenn ich für den Bereich der Medienpädagogik einen Workshop zum Thema Kraft der Fiktion abhalten würde. Der Unterschied würde nur auffallen, wenn jemand sich die Mühe macht und die selbst irgendwo vor Ort recherchiert.

  2. Eine Figur für eine fiktive Geschichte wollte ich nicht erfinden 🙂 Es war so: Im Jugendökohaus Dresden hatte man ein Projekt vor – Jugendliche sollen die Geschichte der Herpetologie und Terraristik hier in der Gegend erforschen. Aus der Zeit vor dem 2. WK sind da nur wenige Namen überliefert, einer davon ist R. Zimmermann. Auf die Sachen mit der Kamera bin ich gestoßen, als ich das einzige online (teilweise) einsehbare Buch von ihm durchsah. Und das mit dem Besitzer ist reiner Zufall, den traf ich am letzten Freitag, als er mir das erwähnte Buch borgte.

    Ich fand die ganze Angelegenheit tatsächlich interessant. Es ist doch so: Wir reden uns gern ein, dass man „im Netz“alles findet. Das stimmt aber nicht. Es gibt immer wieder Sachen, die komplett in Vergessenheit geraten. Und mich hat auch die anscheinende Effektivität des damaligen Informationsflusses beeindruckt – obwohl die noch nicht einmal Twitter hatten 😉

  3. Rudolf Zimmermann ist und bleibt ein unvergessener Naturforscher !
    Jeder Ornithologe sollte ihn kennen !

  4. Welch merkwürdige Ausführungen zu einem der meist verehrten und immer wieder sowie nach wie vor bewunderten Naturforscher! Dabei widerspüchlich zwischen Anfang und Ende des Textes, zumal schließlich die wohl bisher umfangreichste (und nach wie vor erhältliche!) Veröffentlichung über R. Z. zitiert wird. Woher mag die seltsame Information über ein „ausreichendes Einkommen“ stammen? Und warum wird beispielsweise ausgerechnet die Umgebung von Kamenz anstatt der von Königswartha genannt? Wieso ist in Rochlitz angeblich nur ein Weg nach Z. benannt, obwohl das (nach wie vor erhältliche!) Buch von Stamm & Hering ein Foto die Rudolf-Z.–Straße zeigt, übrigens auch die außerordentlich vielen Würdigungen Z.s auflistet!

  5. Sehr geehrter Herr Stamm, ich habe zunächst einen Moment gebraucht, bis mir auffiel, dass Sie einer der beiden Autoren des erwähnten Buches sind. Ich möchte darauf hin weisen, dass ich hier keine wissenschaftlich haltbare Abhandlung über Zimmermann verfassen wollte, sondern dass ich lediglich beschreibe, wie ich durch Zufall auf ihn stieß und dass ich das Thema mit anhaltender Beschäftigung immer interessanter fand. Ich hatte in dem Rahmen auch versucht, Ihr Buch zu lesen, aber leider ist es nicht im Bestand der Dresdner Stadtbibliothek, bei Ebay fand ich es nicht und normal kaufen kann man es ja leider auch nicht mehr. Ich hatte nur einige kopierte Seiten daraus zur Verfügung und konnte mich auch sonst nur auf wenige auffindbare Texte stützen. Und genau darum ging es mir ja auch: Dass man im Internet so wenig über ihn findet!

    Aus welchem der wenigen gefundenen Artikel ich das mit dem halbwegs ausreichenden Einkommen hatte, müsste ich jetzt erst erneut recherchieren – irgendwo wurde so etwas meiner Meinung nach erwähnt. Falls ich hier oder in dem verlinkten zweiten Artikel falsche Details erwähnt haben sollte, wäre ich Ihnen für einen konkreten Hinweis dankbar.

    [Nachtrag: Wie ich jetzt bei intensiverer Suche erst entdeckte, gibt es das Buch tatsächlich doch noch zu kaufen. Damals fand ich es aber nirgends – bei normalen Online-Buchhändlern war es damals und ist es auch jetzt nicht zu finden. Auch bei der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, die wirklich einen sehr umfassenden Bestand hat, war und ist es nicht im Bestand.]

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