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Der Umgang mit Meldedaten in der Sächsischen Praxis

Die Panik im Internet zum Thema „Die Bundesregierung will unsere Adressdaten verkaufen!“ ist anscheinend endgültig verebbt. Da man ungern schöne Gewohnheiten aufgibt, regt man sich natürlich nahtlos anhand anderer Themen über „Die da oben“ auf, aber so geht es halt zu im web 2.0. Ich habe immer öfter das Gefühl, dass man bei jedem neuen Thema vielleicht erst einmal eine Woche verstreichen lassen sollte, bevor man sich gleich reflexartig dazu äußert. In der Zeit könnte man sich noch einmal genauer mit dem Thema befassen … aber dann interessiert es freilich auch niemanden mehr.

Ich möchte mich trotzdem noch einmal diesem Thema widmen. Unsere Meldedaten werden ja laut allgemeiner Meinung an Adresshändler und die Werbewirtschaft verkauft und das soll dank des neuen “Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens” (MeldFortG) noch einfacher werden. In meinem letzten Artikel habe ich das bereits bezweifelt und musste nun feststellen, dass ich sogar mit meiner verbliebenen Kritik noch falsch lag. Ich hatte immerhin behauptet, bei uns in Sachsen würden bereits seit Jahren Meldedaten an Firmen weitergegeben. Das scheint nicht zu stimmen. Auf DNN-Online vom 11.7. erschien bereits ein Artikel, in dem u.a. stand, dass in Dresden bisher kein Verkauf an Adresshändler stattgefunden hätte und auf LVZ-Online kam dieselbe Information über Leipzig. Unabhängig davon hatte ich mich bei der Stadt Dresden erkundigt, wie das konkret bei uns abläuft. Durch die Zeitungsartikel war meine erste Frage eigentlich bereits beantwortet (wie viele Datenweitergaben an Firmen bereits stattgefunden haben). Hier trotzdem noch einmal die kompletten Auskünfte vom Pressesprecher der Stadt Dresden, Kai Schulz:

Grundlegende Informationen

Grundlage für die Erteilung von Melderegisterauskünften bilden das Sächsische Meldegesetz (SächsMG) und das Melderechtsrahmengesetz (MRRG) als rahmenrechtliche Regelung für die jeweiligen Landesmeldegesetze. Die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Weitergabe der Daten an Adressbuchverlage besteht bereits seit Inkrafttreten des SächsMG.

Seit dem Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 2006, dass Einwohner der Auskunftserteilung zu Werbezwecken widersprechen können, hat auch die Meldebehörde Dresden die Möglichkeit zur Registrierung einer entsprechenden Sperre gegen die Auskunftserteilung für Werbezwecke in das Melderegister aufgenommen. Die Dresdner Einwohner haben von Beginn an regen Gebrauch von diesem Recht gemacht, so dass ca. 8,5 % der Einwohner eine derartige Sperre im Melderegister haben eintragen lassen.

Für die Erteilung sogenannter Gruppenauskünfte, d. h. Auskünfte zu einer Vielzahl von Personen werden nach § 32 a SächsMG nur auf Antrag erteilt, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen. Auskünfte zu wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmen und zu Zwecken der Marktforschung werden prinzipiell nicht erteilt, da bei diesen das öffentliche Interesse nicht zu bejahen ist.

Frage: In welchem Umfang findet in Dresden eine solche Weitergabe von Meldedaten der Bürger an solche Firmen tatsächlich statt? Welche Einnahmen wurden mit Meldedaten erzielt?

Die letzten Datenübermittlungen an einen Adressbuchverlag erfolgten im Jahr 2002. Seit diesem Zeitpunkt wurden auch keine Anträge von derartigen Verlagen gestellt. Dies ist zum einen mit wirtschaftlichen Gesichtspunkten seitens der Verlage und zum anderen im Hinblick auf die Entwicklungen der Medien und der technischen und elektronischen Möglichkeiten zu begründen.

Eine Datenweitergabe an Adresshändler aus den Melderegistern der Kommunen ist weder im Sächsischen Meldegesetz noch im Melderechtsrahmengesetz der BRD vorgesehen. Seitens der Meldebehörde werden somit auch keine derartigen Auskünfte an Adresshändler erteilt. Da keine Auskunftserteilung an Adresshändler erfolgte hat somit die Stadt Dresden dafür auch keine Einnahmen erzielt.

Auskünfte werden nur entsprechend der im Meldegesetz enthaltenen Regelungen auf Antrag erteilt. Eine einfache Melderegisterauskunft (Einzelauskunft) an Private kostet z.B. 6,30 €, eine einfache Mehrfachauskunft 5,20 €. Datenübermittlungen an Behörden und öffentliche Stellen werden entsprechend der Rechtsverordnungen regelmäßig oder auf Antrag gebührenfrei übermittelt. Die Verwendung der entsprechenden Übermittlungen und Auskünfte darf dabei stets nur zweckgebunden erfolgen.

2010 und 2011 hat die Meldebehörde Dresden für die erteilten Melderegisterauskünfte insgesamt Gebühren in Höhe von 208.947,00 € erhoben. 2011 wurden 126.400 Melderegisterauskünfte an Private und Behörden erteilt, davon 34.363 kostenpflichtige Einzelauskünfte an Private. Die Gebühren dafür betrugen 106.820,66 Euro.

Frage: Kann eine Firma einfach mit dem Wunsch kommen, alle Adressen z.B. eines Stadtteiles erhalten zu dürfen oder gibt es da Einschränkungen?

Wie bereits oben erwähnt werden sogenannte Gruppenauskünfte nach § 32 a SächsMG nur erteilt, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen. Für die Zusammensetzung der Personengruppe dürfen gemäß § 32 a SächsMG nur folgende Daten herangezogen werden: Tag der Geburt, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Anschriften, Tag des Ein- und Auszuges, als Familienstand nur „verheiratet“ oder „nicht“ bzw. „Lebenspartnerschaft führend“ oder „nicht“.

Frage: Erhalten diese Firmen die Adressen tatsächlich größtenteils aus den Bürgerbüros oder eher aus ganz anderen Quellen (z.B. freiwillig gegebene Adressen aus Gewinnspielen, Rabattsystemen usw.)?

Wie bereits oben erwähnt, erteilt die Meldebehörde Dresden keine Auskünfte für Marktforschungszwecke. Auch wurden unsererseits in der Vergangenheit keine Auskünfte an Werbefirmen erteilt.

Eindeutig ist zu sagen, dass die bei den Unternehmen vorliegenden Adressen hauptsächlich aus den eigenen Angaben der Einwohner bei den entsprechenden Unternehmen oder bei Rabattaktionen und Gewinnspielen resultieren. Weiterhin vermitteln einige Unternehmen auch die ihnen von den Betroffenen übergebenen Adressen an weitere Unternehmen. Nicht zu vergessen sind auch Angaben, die die Betroffenen bei Versandhäusern, Telefonbüchern, Facebook sowie allen anderen Möglichkeiten über Internet selbst hinterlegen.

Frage: Ist aus der Sicht des konkreten Arbeitsaufwandes in den Bürgerbüros eine Widerspruchslösung oder eine Einwilligungslösung des Bürgers die bessere Lösung?

Hier ist eindeutig der Widerspruchslösung der Vorrang zu geben. Aufgrund der bereits im SächsMG und im MRRG vorhandenen Widerspruchsmöglichkeiten und damit der bereits in den Melderegistern eingetragenen Widersprüche würde die Veränderung in eine Einwilligungserklärung einen immensen materiell-technischen Aufwand erfordern. Bei Beibehaltung der Widerspruchslösung hätten alle bereits durch die Einwohner eingelegten Widersprüche Bestandskraft und würden bei Inkrafttreten des Bundesmeldegesetzes bestehen bleiben. Zusätzlich hätte jeder Einwohner die Möglichkeit auch sein Widerspruchsrecht, sofern er dieses noch nicht wahr genommen hat, noch in Anspruch zu nehmen.

Durch die im Bundesmeldegesetz vorgesehene jährliche öffentliche Bekanntmachung und die zusätzliche Hinweispflicht der Meldebehörde bei der Anmeldung ist u.E. auch die Information an den Bürger umfangreich gewährleistet. Anderenfalls wäre ein sehr großer personeller Aufwand bei den Meldebehörden und auch ein sehr großer Programmieraufwand bei den entsprechenden Herstellern der Einwohnersoftware erforderlich. Dies bedeutet dann natürlich auch einen sehr hohen finanziellen Aufwand bei Bund, Land, Kommunen und ggf. auch für die Wirtschaft.

Frage: Warum wurde man bisher als Bürger nicht besser auf Widerspruchsmöglichkeiten hingewiesen?

Auf die gesetzlich vorgesehenen Widerspruchsmöglichkeiten, wie z. B. den Widerspruch gegen die Erteilung einer Melderegisterauskunft per Internet, zu Zwecken der Direktwerbung, zu Ehe- und Altersjubiläen, an Adressbuchverlage, vor Wahlen an Parteien und Wählergruppen…, werden die Einwohner durch die Mitarbeiter der Bürgerbüros und Meldestellen bei jeder An- und Ummeldung, wie im Sächsischen Meldegesetze vorgesehen, hingewiesen.

Des Weiteren können die entsprechenden Formulare in Dresden zu jeder Zeit bei den Bürgerbüros und Meldestellen abgefordert werden und sind auch im Internet unter www.dresden.de verfügbar. Der Bürger kann dieses Formular ausgefüllt und unterschrieben der Meldebehörde zuleiten. Diese speichert die jeweiligen Sperren im Datensatz des Bürgers.

Frage: Wird mit dem aktuell beschlossenen Gesetz eine Datenweitergabe an Direktmarketingunternehmen tatsächlich leichter?

Derzeit kann diese Frage nicht pauschalisiert mit Ja oder Nein beantwortet werden. Hierbei spielt die Entscheidung Widerspruchslösung oder Einwilligungsvorbehalt eine entscheidende Rolle. Natürlich sind dabei auch die entsprechenden erforderlichen materiell-technischen Umsetzungen und personellen Anforderungen mit zu beachten.

4 Comments

  1. Da soll mal einer sagen, dass sich Mitarbeiter der Stadtverwaltung Dresden keine Zeit für konkrete Bürgeranfragen nimmt 😉

    Was unerwünschte Werbung anbetrifft, habe ich jetzt mal überlegt, ob ich einen Idee aus einem Heft der sächsischen B90-Grünen anwende … die Werbepost mit „Zurück an Absender“ einfach wieder in einen Briefkasten werfen. Letztlich ist’s/wird’s dann eine Frage der Müllentsorgung, andererseits nutze ich leere Rückseiten auch meist als Papier für Probeausdrucke … hmm, ich geh die Kosten-Nutzung-Rechnung für diesen Fall nochmals durch 🙂

  2. Ja, das wäre eine Idee, mit unerwünschter Werbung umzugehen. Bei mir scheitert es allerdings daran, dass ich praktisch gar keine erst erhalte. Eigentlich eine Frechheit der Werbeindustrie, mich so zu missachten! Das Thema des nächsten Artikels steht schon fest … 😉

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