Was bin ich? Ein Outing.
Gestern bekam ich den Hinweis auf einen Selbsttest, den man online* durchführen kann: Auf der Seite Political Test kann man herausfinden, wie die eigene politische Einstellung ist. Das kam mir sehr entgegen, denn mit der klaren Positionierung hatte ich in den letzten Jahren immer mehr Probleme. Allein im letzten Jahr gab es zwei Vorfälle, bei der ich zu der Meinung kam, die sächsische CDU hätte etwas richtig gemacht**! Das geht eigentlich gar nicht. Wenn man vom Klassenfeind*** gelegentlich nachvollziehbare Äußerungen oder sogar vermeintlich gute Ideen vernimmt, von linken Parteien dagegen in manchen Fällen das Gegenteil, dann macht man sich schon irgendwann Sorgen um sich selbst: Wo stehe ich eigentlich? Als gelernter DDR-Bürger hat man ja die alte Grundsatz-Frage sowieso noch im Hinterkopf: Sag mir, wo Du stehst!
Seit gestern ist es aber mittels Internet erwiesen. Nach meinem Selbsttest las ich: „Sie sind ein Sozialdemokrat“:
Das ist doch mal eine klare Entscheidung! Zumal ich mit dem Ergebnis gut klar komme, denn damit steht man doch auf der Seite der Guten, oder? Naja, so ganz sicher bin ich mir da nicht, wenn ich an die Verfehlungen der SPD aus der Schröder-Zeit denke. Aber ganz allgemein gilt diese Position als gesellschaftlich einigermaßen akzeptiert. In diesem Testergebnis sehe ich großartige Vor- und leider auch geringfügige Nachteile. Zunächst der Vorteil:
Ab sofort kann ich in Internetdiskussionen frei von der Leber weg alles schreiben, was mir spontan einfällt. Und wenn mir anschließend jemand z.B. mit Nazivorwürfen kommen will (so etwas riskiert man im Internet bekanntlich schnell) dann brauche ich nur noch auf dieses Testergebnis zu verweisen! Ich bin doch Sozialdemokrat, also was sollen diese Anschuldigungen? Auch Antisemitismusvorwürfe oder umgekehrt „Judenfreund“, Rassismus, Neoliberalismus, der etwas in Vergessenheit geratene Antisowjetismus und was da sonst noch denkbar ist – all das wird künftig von mir abprallen wie Kritik von Frau Merkel.
Insofern könnte ich hier im nächsten Artikel gleich einmal etwas schreiben, was mich unter bisherigen Umständen sofort in die „rechte Ecke“ katapultiert hätte.
Der Nachteil dieses Ergebnisses: Ich bin auch zu 49% kommunistisch! Das bedeutet, dass mich der Verfassungsschutz nun selbstverständlich mit beobachten wird. Für mich ist das einfach logisch! Denn wäre ich Verfassungssschutz-Mitarbeiter, dann würde ich so heran gehen: Die Internetseite von Political Test ist unverschlüsselt (nur http statt https), also bräuchte man nur alle dort eingehenden Verbindungen zu überwachen. Das ist technisch kein Problem. Und wer beim Testergebnis mehr als, sagen wir mal, 30% Kommunismusanteil aufweist, der wird automatisch überwacht. Technisch ebenfalls sehr einfach und für die Bewahrung der Demokratie absolut notwendig.
Ich muss also damit leben, nun überwacht zu werden. Denn ich gehe davon aus, dass der Verfassungsschutz von Profis besetzt ist, die ihre Arbeit perfekt beherrschen und die stets effektiv arbeiten. Oder kennt etwa jemand Beispiele aus der Arbeit des Verfassungsschutzes, die etwas anderes vermuten lassen? Na also.
Aber, wie schon erwähnt, „gelernter DDR-Bürger“ und so – ich bin ja daran gewöhnt.
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(* anders hätte ich auch gar nicht kapiert, wie das funktionieren soll)
(** würde hier zu weit führen – nur kurz: Sie hat Politiker-Diäten an das Durchschnittseinkommen gekoppelt und sie will ein Verschuldungsverbot. Richtig so! Aber beides wurde von LINKE & SPD kritisiert.)
(*** Für die jüngeren Leser: Die dunkle Seite der Macht)
Im großen und ganzen fühle ich mich nach Absolvierung korrekt politisch karakterisiert. Bei mir stand allerdings, daß 43% aller Teilnehmer extremistischer als ich sind. Bei Dir sind nur 23% extremistischer als du. Was hat das wohl zu bedeuten?
Einige Fragen sind ohnehin unsinnig. „Die einzige soziale Verantwortung von Unternehmen ist es, Profite zu erwirtschaften.“ Das ist Quatsch. Kein Unternehmen hat eine soziale Verantwortung. Das ist Augenwischerei von Unternehmen und von Politikern. Ein Unternehmer will Profit machen. Dazu sucht sich der Unternehmer einen Bedarf. Und den befriedigt er mithilfe seines Unternehmens. Richard Cobden hatt sicher aus einer sozialen Verantwortung heraus gewirkt. Aber die Anti-corn-law-league war kein Unternehmen. Und dank des Manchester-Kapitalismus stiegen auch die Profite. In Deutschland war Carl Zeiss so ziemlich der erste, der konsequent „soziale Verantwortung“ zur Profitsteigerung einsetzte. Ich habe keine Ahnung, warum der von SPD und Gewerkschaften so gefeiert wurde. Beide letztere Organisationen waren seinerzeit da viel glaubwürdiger, aber eben keine Unternehmen.
Ähnlich falsch ist die Frage: „Die Globalisierung ist prinzipiell wünschenswert, wenn alle Völker von ihr profitieren können.“ Die Globalisierung ist keine Wohlstandsgarantie, aber nach allem was wir heute über Globalisierung wissen, können alle Völker von ihr profitieren. Die kapitalistische Globalisierung wwohlgemerkt, nicht die kolonialistische Globalisierung. Auch das hat schon der erfolgreiche Kampf der Anti-corn-law-league bewiesen. ( htp://www.freiheit.org/files/152/272CobdenD.pdf )
Es gab mal eine Zeit, da hat sich Chemnitz gerühmt, das deutsche Machester zu sein.
So geht das.
Ps: Meine Testergebnis lautet „demokratischer Nationalliberaler“ 😉
Über einige Fragen könnte man da lange diskutieren. Die erste, die mir als nicht ganz brauchbar erschien, war
„Jeder sollte nur so viel Land besitzen dürfen, wie er selbst zum Leben benötigt.“
Ich besitze z.B. gar kein Land und brauche das als heutiger Großstadtbewohner auch nicht. Bauern dagegen, die ja nicht nur für sich, sondern für viele andere die Nahrungsmittel mit produieren, müssen zwangsläufig mehr Land zur Verfügung haben, als sie für sich selbst benötigen. Die Frage ist also unsinnig, weil sie von einem veralteten Nahrungsmittelproduktionsmodell ausgeht. Mit 7 Mrd. Menschen ist Selbstversorgung gar nicht mehr machbar. Außerdem ist viel grundlegender bereits der Besitz von Land, also von einem Stück Planetenoberfläche gar nicht möglich – auch wenn Landbesitz in der Praxis dummerweise doch eine recht brauchbare Übereinkunft ist. Aber das wäre ein eigenes Thema.
„Die einzige soziale Verantwortung von Unternehmen ist es, Profite zu erwirtschaften.“ ist eine widersprüchliche Frage: Profite zu erwirtschaften, ist ja grundsätzlich schon einmal nicht sozial. Wenn ich eine Firma gründe und da nicht alles allein ausführen kann, brauche ich Angestellte, die diese zusätzliche Arbeit ausführen. Mit sozial hat das tatsächlich erst einmal nichts zu tun, denn ich muss die ja notgedrungen einstellen. Ein Unternehmer, der eine Firma gründet und sofort sagt: „Klasse! Da kann ich jede Menge Leute in Lohn und Brot bringen!“, der läuft Gefahr, bald pleite zu sein. Andererseits ergäbe sich für mich nach dem Einstellen meiner Angestellten durchaus eine gewisse soziale Verantwortung, denn die hängen ja anschließend auch von mir ab. Ich glaube, ich hatte „stimme bedingt zu“ angeklickt. Oder war’s „neutral“? (Das klingt nicht sehr sozialdemokratisch.)
Zur „Anti-corn-law-league“ müsste ich mich erst einmal etwas belesen und mir eine Meinung bilden. Der Manchester-Kapitalismus hat sicher die Profite gefördert, aber ich hätte nicht mit der Situation eines damaligen Arbeiters tauschen mögen. Für die müssen das schon sehr üble Zeiten gewesen sein.
Die Frage “Die Globalisierung ist prinzipiell wünschenswert, wenn alle Völker von ihr profitieren können.” ist insofern falsch, weil sie keine Frage ist, sondern eine Feststellung. Aber genauso sehe ich es: Wenn alle Völker von ihr profitieren könnten, wäre sie in Ordnung. Eine Wohlstandsgarantie ist sie freilich nicht – in der Praxis stellt sich durch Globalisierung bisher eher das Gegenteil ein. (Das klingt schon etwas sozialdemokratischer.)
Ansonsten sind viele Fragen gar nicht so verkehrt. Allerdings frage mich auch, ob die Gegenüberstellungen im Ergebnis so korrekt sind? Ist das Gegenteil von „ökologisch“ tatsächlich „anthropozentrisch“? Ökologie ist ja lediglich eine (neutrale) Wissenschaft. Oder „fundamentalistisch“ kontra „laizistisch“? Ich bin Atheist und für Trennung von Staat und Kirche, also Laizist. Aber ich versuche auch immer, die Dinge grundlegend, also fundamental zu betrachten. Mit Religion hat das ja zunächst nichts zu tun. Ich bin also auch fundamentaler Laizist, wenn man so will 😉
Ich habe mir das Ergebnis »Sie sind ein liberaler Weltbürger« erarbeitet (wirklich im ersten Versuch). 4% der Teilnehmer sind so wie ich, 68% sind »extremistischer« (was auch immer das heißen mag). Na gut. Wenigstens kein Sozi 😉
Die Gemeinsamkeit zwischen uns beiden ist, dass ich auch mit 10% zu »anthropozentrisch« neige.
Ehrlich gesagt, verwundern mich in meinem Ergebnis ausgerechnet meine anthropozentrischen 10% am meisten. Hätte ich nicht von mir erwartet.
Nach Deinem langen Artikel über Energieversorgung wundert Dich das? Ein öko-orientierter Mensch wäre doch voll überzeugt von Solar- und Windstrom 😉
Mir ist schon klar, wie Du das meinst, aber im Ernst: Naturschutz wichtig zu finden muss ja noch lange nicht bedeuten, deshalb logisches Denken auszuschließen.