Neues aus der Provinz: Unbemerkte Dresdner Kleinkriege
Ich helfe ja immer gern aus, wenn es um die Verbreitung von Informationen geht, die von der Systempresse unterdrückt werden: In unserer Stadt geschieht Ungeheuerliches! Draußen vor den Toren der Stadt – in Hellerau – haben sich ein paar Leute zusammen gefunden und eine Bewerbung eingereicht, damit die Gartenstadt Hellerau den „Weltkulturerbe“-Status der UNESCO erhält. Das haben sie einfach so getan.
Ohne das Netzwerk Welterbebewegung vorher zu fragen!
Nun herrscht verständlicherweise Krieg. Und die Hellerauer brauchen gar nicht erst mit der billigen Ausrede zu kommen, sie hätten keine Adresse des Netzwerkes gefunden. Gut – es gibt tatsächlich weder eine Internetseite, noch ist die Schreibweise des Namens so ganz eindeutig*, aber wenn man eine Weile recherchiert, findet man problemlos heraus, dass Thomas Löser hinter dem Netzwerk steckt. Und außer ihm müssen sogar noch zwei, drei andere Menschen in diesem gewaltigen Netzwerk vertreten sein … Namen sind zwar schwer zu finden, aber das hat sicher einfach nur etwas mit Datenschutz zu tun. Es stecken auf jeden Fall mehrere Organisationen dahinter, die schon immer völlig unterschiedliche Mitglieder hatten.
(* Es variiert – je nach Quelle – zwischen „Netzwerk Welterbebewegung in Dresden“, “Netzwerk Dresdner Welterbebewegung“ und „Netzwerk Welterbebewegung Dresden“)
Jedenfalls hatte Herr Löser diese Bewerbung der Hellerauer dann auch ganz kurz ein wenig begrüßt, aber anschließend viel textreicher und ausführlicher erklärt, dass das doch alles gar keinen Sinn hätte, denn das würde die CDU doch sowieso wieder nur behindern (Anzeichen dafür gibt es zwar keine), und irgendwie sei das auch ganz falsch mit der Bewerbung. Es gäbe erst einmal Wichtigeres.
Erstaunlich: Da existiert also eine „Welterbebewegung“, die neue Welterbe-Bewerbungsversuche aber als irgendwie nicht so sinnvoll darstellt. Hätte ich mir genau anders herum vorgestellt.
Nun haben sich die Hellerauer aber anscheinend nicht davon beeindrucken lassen. Deshalb erschien heute eine geharnischte Kampfschrift, in der diese Unverfrorenheit an den Pranger gestellt wird, mit der die Hellerauer hier einfach das wichtigste Entscheidungsgremium übergingen. Und wer sind diese Leute überhaupt, die ihre geradezu lächerliche oder zumindest belanglose, auf jeden Fall aber niemals welterbewürdige Kleingartensiedlung bewerben? Das wird alles detailliert in diesem sachlich ausgewogenen Artikel auseinandergenommen.
Einfach mal lesen (oder auch nicht): „Ein Gespenst geht um“ von J. Hellmich auf „Quo vadis, Dresden“ (*).
Ich war schwer begeistert. Als Titel hätte ich aber vorgeschlagen: „Welterben protestieren gegen weiteres Welterbe“
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Update, 20.12.2011 – Hellerau ist bisher der einzige Bewerber aus Sachsen und hat deshalb möglicherweise gute Chancen auf den Titel
* Update, 2021 – „Quo vadis, Dresden“ existiert nicht mehr
Ich glaube, da muss ich Dir ausnahmsweise mal widersprechen. Ich fand die 2/3 vom Helmich-Artikel, die ich gelesen habe, eigentlich in Ordnung. Der Autor erklärt darin recht gut, welches Problem er mit den Hellerauern hat.
Mag es politische Naivitt oder einfach nur Dummheit der neuen Antragsteller sein aber so simpel, wie die sich das vorstellen, wird es wohl nicht funktionieren. Zumal bei der Unesco die Ortsbezeichnung Dresden schon ausreichen wird, um die Bewerbung nach gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz weit unten rutschen zu lassen…
Widerspruch dulde ich hier nicht 😉
Na, mal im Ernst
Für mich entstand beim Lesen der Eindruck, dass Herr Hellmich denkt, dieser Hellerauer Verein hätte zuerst ihn und seine Freunde fragen müssen. Müssen sie aber absolut nicht. Und nun klingt er leicht beleidigt. Aber nur weil einige Dresdner einen Verein (oder ein Netzwerk) gegründet haben, was „Welterbe“ im Namen hat, ist das nicht automatisch die offizielle Ansprechstelle zu allen Dingen, die etwas mit Welterbe zu tun haben. Die Hellerauer haben sich – soweit ich das beurteilen kann – einfach nur an die offiziell tatsächlichen Ansprechpartner gewendet, sie haben sich also völlig korrekt verhalten.
Und dass Hellmich nun nach jedem noch so kleinen negativen Anhaltspunkt in der Biografie der beteiligten Antragsteller sucht, finde ich nicht sehr … naja, nicht sehr niveauvoll.
Kann schon sein, dass da eine gewisse Naivität mit eine Rolle spielt. Oder meinetwegen etwas Größenwahn. Ich kann auch schlecht beurteilen, ob die Gartenstadt Hellerau den Welterbe-Status verdient. Andererseits sind Gartenstädte eine wirklich interessante Sache. Dieses Jahr habe ich Marga in der Lausitz besucht, was auch sehr interessant war (Hellerau gefällt mir aber besser). Insofern kann ich nur sagen, dass ich die Idee gar nicht für so abwegig halte.
… was aber kein Pluspunkt für die UNESCO wäre. Denn wenn deren Entscheidungen sachlich ausgewogen wären, dann sollte so etwas eigentlich nicht denkbar sein.
Hellerau ist bisher der einzige Bewerber aus Sachsen und hat deshalb möglicherweise gute Chancen auf den Titel – siehe Link im Nachtrag.
Und ein weiteres Update: Welterbe-Jury besucht Hellerau