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Japans AKW und die Medien

Ich bin wieder einmal ziemlich beeindruckt von den Medien: Auf allen Kanälen wird zu Korrespondenten geschaltet, die in der Nähe von – nein, nicht vom Atomkraftwerk Fukushima, sondern in einer Nähe zu etwas beliebig anderem sind. Hauptsache, irgendwo in Japan. Es werden permanent Experten interviewt … alle haben große Theorien und können alles genau erklären.

Aber wenn man genau hin hört: Die wissen alle nichts. Keiner weiß, was wirklich bisher in diesem AKW passiert ist. Den ganzen Tag wird schon von einer Kernschmelze geredet. Manche reden von einer vollständigen Kernschmelze, andere von einer beginnenden. Das ging auf die Information von heute früh zurück, als ein geringer Austritt von Cäsium gemeldet wurde, woraus manche Leute schlussfolgerten, dass möglicherweise sogar schon die Kernschmelze eingesetzt haben könnte. Inzwischen wird von „mittlerer“ radioaktiver Emission geredet. Aber ob tatsächlich eine Kernschmelze vorliegt, weiß niemand.

Die Explosion habe ich selbstverständlich auch gesehen. Sah leider sehr eindrucksvoll aus. Aber was ist da konkret explodiert? Vielleicht war’s gar nicht der Reaktor? Die Experten haben trotzdem schon alles erklärt. Die Grafiker mussten heute sicher Sonderschichten machen, um die vielen Animationen zu erstellen, mit denen man permanent Reaktorexplosionen und Kernschmelzen vorführte, egal ob sie sich ereignet haben oder nicht.

Ja – der Fehler liegt auch an den Betreibern des AKW und der japanischen Regierung, die nicht gerade viele Informationen herausrücken, was Spekulationen natürlich anheizt. Aber können Medienarbeiter vielleicht auch erst einmal abwarten mit ihren wilden Spekulationen und ihrer Panikmache? Ja – es kann sein, dass sich der Unfall im AKW Fukushima als schwerer Unfall mit verbleibender radioaktiver Verseuchung herausstellt. Ich will das nicht verharmlosen. Aber es kann auch sein, dass die japanischen Techniker das alles in den Griff bekommen und spätere Untersuchungen feststellen: Tatsächlich – es gab nie eine Kernschmelze und die Explosion betraf etwas relativ Ungefährliches. Dann wären die vielen Interviews und Animationen heute völlig umsonst gewesen.

Nachtrag 13.3., Nachmittag: Inzwischen darf man meinetwegen Panik verbreiten, da die japanische Atomsicherheitsbehörde mindestens eine Kernschmelze bestätigt hat. Landesweit sollen sich in fünf Reaktoren,  in denen der Druck zu hoch war, Ventile geöffnet haben, wodurch radioaktiver Wasserdampf freigesetzt wurde.

6 Comments

  1. Fukushima

    Ich bin wieder einmal ziemlich beeindruckt von den Medien: Auf allen Kanälen wird zu Korrespondenten geschaltet, die in der Nähe von – nein, nicht vom Atomkraftwerk Fukushima, sondern in einer Nähe zu etwas beliebig anderem sind. Hauptsache, irgendwo in Japan. Es werden permanent Experten interviewt … alle haben große Theorien und können alles genau erklären.
    Aber wenn man genau hin hört: Die wissen alle nichts. Keiner weiß, was wirklich bisher in diesem AKW passiert ist. Den ganzen Tag wird schon von einer Kernschmelze geredet. Manche reden von einer vollständigen Kernschmelze, andere von einer beginnenden.

    Ja, einer wusste es am Sonntag bei
    Anne Will schon ganz genau, unser Umweltminister.

    Röttgen bei anderer Gelegenheit:
    Es muß beschlossen werden, daß die Erwärmung der Erde auf maximal zwei Grad begrenzt wird…

    Wie die AKWe in Fukushima aufgebaut sind und was im Katastrophenfall passieren kann/soll, kann man
    hier nachlesen.
    Nebenbei wird auch Tschernobyl, etwas herablassend, behandelt. In Fukushima setzte der Tsunamie die Notstromaggregate für die Kühlung außer Gefecht, die Batterien hielten ca. 8h.
    Bei den herangeschafften Ersatzaggregaten passten die Stecker (!) nicht. Russen hätten in diesem Falle die Stecker weggeschnitten und die Kabel irgendwie angeklemmt.

  2. Interessanter Text! Das mit den Steckern ist schon hart – da denkt man wirklich gleich an die Russen mit ihrer von früher bekannten Improvisationskunst.

  3. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass der Text auch seine Lücken hat (das Original stammt übrigens von hier … Nachtrag Okt 2013: Nicht mehr online). Es wird behauptet, dass die Reaktoren über sogenannte Kernfänger (Core-Catcher) verfügen. Das scheint aber bei diesen Reaktoren nicht der Fall zu sein. Übrigens haben auch deutsche AKW so etwas nicht, wenn man dem entsprechenden Wikipedia-Artikel Glauben schenken darf (ich habe aber in anderen Quellen nichts Gegenteiliges gefunden).

    Und dann bekommt man beim Lesen auch das Gefühl, austretende Radioaktivität sei praktisch gar kein Problem, weil da nur irgendwie ungefährliche Radioaktivität entsteht. Ich finde es immer gut, wenn mal jemand mit simplen technischen Fakten kommt, während alle Anderen nur kopflos wie eine Schar aufgeschreckter Hühner wild in der Gegend herum gackern, aber man muss dann auch kritisch gegenüber dem Kritiker bleiben. Übrigens wurde auch in der in der TAZ der Text Dr. Oehmens selbstkritisch wahrgenommen: Hirnschmelze. Zitat:

    Selbstkritisch und von mir auf andere schließend stelle ich fest, dass an diesem Wochenende beginnend mit dem Wort “Kernschmelze” bei vielen Menschen und Medien das rationale Denken notabgeschaltet wurde – eine Hirnschmelze sozusagen. Die Kombination aus (partieller) Kernschmelze und Explosion des Reaktorgebäudes konnte ja gar nichts anderes bedeuten als eine massive und großflächige Freisetzung von Radioaktivität. Dass die Brennelemente, und damit der mit Abstand größte Brocken an Strahlung und Gefährdung, trotzdem immer noch im Stahl-Containment eingeschlossen sein könnten (und hoffentlich auch darin eingeschlossen bleiben), kam mir (uns?) gar nicht in den Sinn.“

    So, und nun werde ich wohl noch die Kommentare in dem TAZ-Artikel und deren links lesen müssen …

  4. Ich hab den Originalartikel nicht vollständig gelesen (ist selbst mir „zu“ lang 😉 … zumindest heute), doch scheinen mir die langfristigen Folgen nicht genügend betrachtet.
    Radioaktivität ist ja nicht einfach weg, wenn die Lage mal beruhigt ist … wann auch immer das sein mag und was „beruhigt“ heißen mag.
    Zudem, was gibt es für Folgestrahlung? Was geht evtl. – letztlich – ins Grundwasser uxw. usf.?

    Und last but not least – die Endlagerung …

    Auch ein Artikel, der ein „Nicht-beunruhigt-Sein“ vermittelt muss nicht gleich ein Pro-Atom-Artikel sein – welcher jedoch der verlinkte von der „Achsen des Guten“ tendenziell zu sein scheint. Überhaupt scheinen mir die Autoren dort eher eine Art Pendelbewegung zu den Gegen-Regierungspolitik-Block zu sein, ohne primär gleich Pro-FDP-CDU zu sein.

    Alles in allem finde ich die ganze Sache – wenn auch tragisch für die Betroffenen und Beteiligten – äußerst spannend. Bin auch mal gespannt, was z.B. die Regierung Merkel nach Ablauf der 3 Monate Moratorium macht 😉
    Noch spannender fand ich allerdings – ohne Japans Schicksal herunterspielen zu wollen -. dass am Wochenende in Portugal – je nach Quelle – 200.000 bis 300.000 Menschen zu Protesten auf der Straße waren, zwecks Jobsituation usw. … Wenn man das mal auf die rund 10 Mio. Einwohner Portugals umrechnet, wäre das wie 1,6-2,5 Mio. Menschen auf deutschen Straßen 😉
    Davon kam in den deutschen Medien (fast gar ?) nichts, oder ich hab’s übersehen … fand auch bisher nur einen kurzen Artikel bei DRadio Kultur – http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1411744/

    Kurzum, Japan und die diversen Katastrophen bieten natürlich auch wieder einmal wunderbar die Gelegenheit, bewusst oder unbewusst, den Rest der Welt „auszuschalten“ – besonders wenn es Krisen in Europa gibt 🙂

  5. So lang ist der Artikel doch nun auch wieder nicht, aber das ist eben das Problem im Twitter-Zeitalter 😉
    Der Text ist immerhin nicht schlecht, weil er Prozesse in einem Reaktor anschaulich erklärt und die unterschiedlichen Ursachen von Radioaktivität erläutert. Auch wenn er insgesamt etwas zu euphorisch abschließt, war er am Tag der Veröffentlichung eine angenehme Ausnahme halbwegs sachlicher Darstellung. Dass Endlagerung ein weiterhin existentes Problem ist, ist auch klar, aber es ging dem Verfasser nicht um Schönreden der Atomtechnik an sich, sondern um die Darstellung des aktuellen Störfalls (und das angeblich auch nur, um einen Verwandten zu beruhigen).

    Achse des Guten: Dort wurde der Text ja nur mit eingestellt – die Quelle ist eine andere. Das ist wie mit der Seite Politically Incorrect und Ähnlichem – deren Tendenzen sind auch eindeutig, aber die eingestellten Texte stammen meist aus anderen Quellen oder wurden von solchen angeregt. Und grundsätzlich sollte man meiner Meinung nach nicht gleich alle Texte pauschal als diskussionsunwürdig einstufen (hast Du nicht gemacht, aber solche Argumente kommen schnell), nur weil man sie (auch) auf Seiten findet, die man kritikwürdig findet, oder weil da auch schon mal vor drei Jahren jemand einen Artikel brachte, der rassistisch (o.ä.) war. Übrigens: „Achse des Guten“ – auf den Namen hätte ich eher kommen sollen! Immerhin kann sich jeder so nennen … *Neid*

    Dass man im Schatten solcher Katastrophen immer auch beachten sollte, was sonst noch passiert – da hast Du Recht! Man sollte auch darauf achten, ob Regierungen in solchen Zeiten im Hintergrund nicht unbeachtet verschiedenste unangenehme Dinge durchwinken. Allerdings kann man da auch gleich wieder schnell übers Ziel hinaus schießen und sich diverse Ablenkungs-Verschwörungstheorien seitens dieser Regierungen einreden.

  6. @ Medienkompetenz

    Sehe ich prinzipiell auch so … mir ging’s auch weniger, um die „selbstauferlegten“ Beruhigungseffekte des Artikels, sondern die Stimmung.
    Mit anderen Worten, es ist ein Unterschied, ob ich einen erklärenden Artikel – was da und dort, z.B. in Fukushima – wirklich passiert – schreibe und am Ende zu dem Schluss komme „Auch wenn das alles weit weniger schlimm ist, als es durch Bildernbildern rüberkommt, liegt der Schluss nahe, dass man die Atomkraft sobald als möglich ad acta legen sollte und andere Energieformen, z.B. regenerative, … usw. usf..“ oder ob es in die Richtung „Also, alles so und so … mag nicht ungefährlich sein, doch keine Panik, wir müssen es nur noch sicherer machen.“
    Und in letztere Richtung scheint mir dieser Artikel zu gehen …

    Was Fukushima anbetrifft, fiel mir bei der heutigen Nachrichten ein: „Fukushima … nichts ist unmöglich“
    Mag etwas sarkastisch klingen angesichts der Lage, doch mir ist bewusst, dass hier alle alles und nichts wissen bzw. zu wissen scheinen.

    Ne Verschwörungstheorie wäre es, wenn man behaupten würde, die B90-Grünen hätten das Erdbeben ausgelöst, um damit eine neue Runde „Atomdiskussion“ in Dtl. auszulösen 😉 … ansonsten ist das sonst wohl eher „business as usual“
    Was sog. Verschwörungstheorien anbetrifft, so empfehle ich immer gern den Film „Wag the Dog … wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“ mit Robert de Niro und Dustin Hoffman oder die ersten Zeilen von PR-Guru Edward Bernays‘ Buch „Propaganda“ von 1928 .. http://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_%28Buch%29

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