Kleines Lob auf die Informationspolitik Dresdens
Das Wichtigste zuerst: Das Blaue Wunder wird für PKW auf nur zwei Fahrspuren eingeengt und die Schillerstraße wird für Durchgangsverkehr ganz gesperrt (1). (Update: Stimmt doch nicht ganz – siehe Nachtrag 13.4.2011)
Das ist momentan zwar nur ein Vorschlag, aber was ich daran toll finde, ist: Keiner wird nachher sagen können, er hätte von nichts gewusst! Denn sämtliche Unterlagen waren (fast) immer komplett einsehbar und die Bürger konnten sich stets über jedes Detail informieren. Nörgler werden möglicherweise behaupten, die Art der Informationsweitergabe erinnere sie ein wenig an die ersten Kapitel von „Per Anhalter durch die Galaxis“ (siehe Anhang), doch das fände ich ungerecht. Wer immer die einschlägigen Quellen las, war eindeutig informiert.
Oder kennt etwa jemand einen Menschen, der das Amtsblatt nicht liest? Na also! Dort erhielt man bereits Ende des letzten Jahres den entscheidenden Hinweis: „Der Entwurf des Luftreinhalteplanes liegt (…) vom 3. Januar 2011 bis einschließlich 3. Februar 2011 in der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Dresden, Umweltamt, Raum N120, Grunaer Straße 2, 01069 Dresden, während der angegebenen Zeiten für jedermann zur Einsichtnahme aus.“ (2)
Ich ahne es schon: „Luftreinhalteplan? Was soll das mit dem Blauen Wunder zu tun haben?“, werden hier Manche fragen. Aber wer so oberflächlich durch die Welt geht und nicht in der Lage ist, auch einmal Querverbindungen zu erkennen – der muss sich nicht wundern, wenn er uninformiert bleibt!
Immerhin interessierten sich tatsächlich einige (wenige) Dresdner für die Angelegenheit und fragten sich bis in den Raum N120 durch. Und einige (noch wenigere) lasen in dem Entwurf auch mehr als die ersten 100 Seiten. Denn dort müssen sich irgendwo die entsprechenden Details finden: „Sobald die Waldschlösschenbrücke fertig ist, soll das Blaue Wunder von jetzt drei auf dann zwei Fahrspuren (aber mit zusätzlichen Radwegen, Anm. von mir) verengt werden. Die Verkehrsreduzierung an Schiller-und Körnerplatz (inklusive der Sperrung der Schillerstraße) nach Öffnung der Waldschlösschenbrücke ist Teil des Luftreinhalteplanes, der die Stadt vor der Einführung einer Umweltzone bewahren soll.“ (1)
Das haben unsere großen Dresdner Tageszeitungen wohl zufälligerweise übersehen, aber beim WochenKurier war eine Redakteurin etwas aufmerksamer.
Radwege über das Blaue Wunder? Ich selbst fahre größtenteils mit dem Fahrrad und muss täglich über diese Brücke. Gegen eine solche Änderung hätte ich absolut nichts! Aber was ich mich frage: Wieso könnte die Waldschlösschenbrücke nach ihrer Fertigstellung eine derartige Reduzierung der Fahrspuren ermöglichen? Man erwartet von unserer neuen Brücke lediglich ca. 10 % Entlastung für das Blaue Wunder – und dieser niedrige Wert stammt nicht von Brückengegnern, sondern wurde auch von den Befürwortern schon lange offiziell so angegeben. Wie nun eine Einsparung von etwa 10% Verkehr eine Einsparung von 33% Autospuren ermöglichen könnte, erschließt sich mir nicht ganz. Die PKW würden sich somit doch nur länger anstauen! Und was ein noch längerer Stau mit Luftreinhaltung zu tun haben könnte, ist mir sehr unklar: Durch mehr Standgas, verbunden mit häufigerem Anfahren und Bremsen wird mehr Treibstoff verbraucht als beim flüssigen Fahren auf derselben Strecke. Auch eine Sperrung der – zugegebenermaßen sehr schmalen – Schillerstraße würde viele Fahrer doch nur zu einem langen Umweg über die Grundstraße und Bühlau zwingen, wenn sie stadteinwärts wollen. Oder eben zur Elbquerung über das Blaue Wunder, wo dann aber wiederum eine Spur fehlt …
Leider kann man momentan – obwohl es doch im Amtsblatt ausdrücklich so angekündigt war – diesen Planungsentwurf online nicht einsehen. Auch verschiedenste Suchbegriffe auf dresden.de brachten kein Ergebnis. Aber dahinter steckt sicher nur ein kleiner Fehler auf der website und alle Admins und Webmaster arbeiten bestimmt seit Wochen fieberhaft an der Lösung des Problems. Oder – sollte die Information gar nur ein Missverständnis sein? Hat da jemand etwas falsch gelesen? Stand das überhaupt wirklich so im Entwurf? Eine Anfrage bei der einzigen Quelle ergab folgende Antwort:
„Hallo Herr Nagel,
natürlich gibt es diese Aussage. Sie finden Sie unter Punkt 8.3.1.8 Absenkung MIV als Maßnahme 46 „Querschnittsanpassung Blaues Wunder“. Meiner Erinnerung nach steht das auf Seite 106 bis 108, ich habe es selbst gelesen, ebenso die zitierte Leserin Irene Weis und ich habe mit einem Herrn im Umweltamt darüber gesprochen.
Freundliche Grüße aus Dresden
KG WochenKurier Verlagsgesellschaft mbH & Co. Dresden
i. A. Carola Pönisch
Redakteurin”
Ich denke, dass die Stadt uns bald wieder alle Dokumente zur Verfügung stellt und möchte meine kleine lobende Erwähnung dieser Handlungsweise hiermit beenden.
Übrigens: Mit meiner Beurteilung der Idee, auf dem Blauen Wunder die Fahrbahnen wieder zu verringern, habe ich folgendes Problem: Ich finde es immer sehr unterhaltsam, wenn der einfache Bürger bei jeder Neuigkeit immer gleich alles besser weiß. Das läuft ja meist nach dem bekannten Prinzip ab: „So’n Blödsinn schon wieder … die da oben … hör mir auf … haben doch alle keine Ahnung … hätten `se mal mich gefragt …“. Hübsch ist dann immer, wenn man selbst ein paar mehr Details kennt und diese einfach nur erwähnt. Meist stellt sich dann heraus, dass die Meckernden gar keine Ahnung von der Angelegenheit haben, sondern sich nur mal künstlich aufregen wollten. Ich finde aber, dass „die da oben“ durchaus manchmal Fachwissen besitzen und in einigen Fällen sogar wissen, was sie tun. Ich bin sogar der Meinung, dass man einige Entscheidungen tatsächlich Fachleuten überlassen sollte.
Und nun bin ich hier in der gleichen Situation wie der meckernde Bürger: Ich habe etwas Neues erfahren, besitze aber kaum Fachwissen. Möglicherweise haben sich die Initiatoren der Idee durchaus etwas dabei gedacht und möglicherweise ergeben ihre Vorschläge über drei Ecken weiter gedacht tatsächlich eine positive Wirkung für die Luftreinhaltung.
Die Argumente dieser um-drei-Ecken-Denkweise würden mich ziemlich interessieren.
(Ich bemerke gerade, dass ich hier noch die Kategorien „nur teilweise Ironie“ sowie „billige Polemik“ einrichten muss!)
Quellen:
(1) WochenKurier, 02.02.2011: Einengung für bessere Luftwerte
(Nachtrag: Artikel nicht mehr online)
(2) Dresdner Amtsblatt 51-52|2010, Seite 5
(3) Per Anhalter durch die Galaxis, Band 1:
Mr. Prosser, der in der Gemeindeverwaltung arbeitet und für den Bau einer Umgehungsstraße zuständig ist, redet mit Arthur Dent, welcher nicht einsieht, dass sein Haus dafür abgerissen werden soll:
„Aber Mr. Dent, die Pläne lagen die letzten neun Monate im Planungsbüro aus.“
„O ja. Als ich davon hörte, bin ich gestern Nachmittag gleich rübergegangen, um sie mir anzusehen. Man hatte sich nicht gerade viel Mühe gemacht die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich meine, dass man’s jemandem gesagt hätte oder so.“
„Aber die Pläne lagen aus …“
„Lagen aus? Ich mußte schließlich erst in den Keller runter …“
„Da werden sie immer ausgehängt.“
„Mit einer Taschenlampe.“
„Tja, das Licht war wohl kaputt.“
„Die Treppe auch.“
„Aber die Bekanntmachung haben Sie doch gefunden,oder?“
„Jaja“, sagte Arthur, „ja, das habe ich. Ganz zuunterst in einem verschlossenen Aktenschrank in einem unbenutzten Klo, an dessen Tür stand: Vorsicht! Bissiger Leopard!“
Prostetnik Vogon Jeltz vom Galaktischen Hyperraum-Planungsrat erklärt der Erdbevölkerung, weshalb ihr Planet gesprengt werden muss:
„Es gibt überhaupt keinen Grund, dermaßen überrascht zu tun. Alle Planungsentwürfe und Zerstörungsanweisungen haben fünfzig Ihrer Erdenjahre lang in Ihrem zuständigen Planungsamt auf Alpha Centauri ausgelegen. Was soll das heißen, Sie sind niemals auf Alpha Centauri gewesen? Ja du meine Güte, ihr Erdlinge, das ist doch nur vier Lichtjahre von hier. Tut mir leid, aber wenn Sie sich nicht einmal um Ihre ureigensten Angelegenheiten kümmern, ist das wirklich Ihr Problem.“
Nachtrag, 08.02.11: Heute erhielt ich noch folgende E-Mail vom Umweltamt der Landeshauptstadt Dresden:
Sehr geehrter Herr Nagel,
ja es ist richtig, es gibt den Vorschlag das Fahrspuren auf dem Blauen Wunder mit Öffnung der Waldschlösschenbrücke zu verringern. Die Offenlage des Planentwurfs lief über einen Monat bis zum 3.2.2011. Daher ist der Planentwurf auch nicht mehr zu sehen. Schriftliche Stellungnahmen mit Unterschrift sind noch bis zum 18.2.2011 (Posteingang) möglich.
Mit freundlichen Grüßen (…)
Nachtrag, 09.02.11: Anscheinend spricht es sich doch langsam herum. In der SZ stand heute ein kurzer Text und bei Dresden Fernsehen kam ein Beitrag zu diesem Thema.
Nachtrag, 13.4.2011: Das Abbiegen von der „Bautzner“ auf die Schillerstraße soll nur erschwert und der Verkehr aus dem Südosten über die „Schandauer“ weg vom Blauen Wunder hin zur Waldschlösschenbrücke gelenkt werden. (Quelle: DNN, 13.4.2011)
Zur Informationsweitergabe: Ich war auch nicht dort. Aber ich würde erwarten, dass sich Profis vom ADAC, ADFC oder anderen Verbänden um solche Dinge kümmern, denn die sind ja schließlich eine Lobby für Autofahrer, Radfahrer etc. Und ich würde erwarten, dass sich die Journalisten der beiden etwas seriöseren Lokalzeitungen darum kümmern und es *vorher* ankündigen.
Zum Radweg: Kann man erst beurteilen, wenn man die Verkehrsführung der Radwege am Schillerplatz und Körnerplatz gesehen hat. Wenn es der Stadt nur darum geht, die Anzahl der Autos zu reduzieren, dann ist der Radweg eine reine Alibi-Maßnahme. Ich bin nicht sicher, wie sich ein Radfahrer am Schillerplatz vom Radweg vernünftig in die Spuren einordnen soll (ich nutze z.B. nur ungern die Fußwege, sondern ordne mich wie ein Autofahrer ein). Wollen sie die Radfahrer auf der Brücke auf den Radweg zwingen und am Schillerplatz schiebend über die Ampel-Übergänge gehen lassen?
Ja, wie das mit Radwegen konkret aussehen könnte, ist mir auch unklar. Aber zumindest finde ich die Idee der Zweispurigkeit (nach einigen Tagen Brückeüberqueren) mittlerweile nicht mehr so völlig abwegig. Immerhin war das BW lange Zeit schon einmal nur zweispurig. Na, mal sehen, was aus diesem Vorschlag überhaupt wird …
Ich finde die zwei Spuren in Ordnung, weil damit die Brückenkonstruktion geschont wird. Ich will die Brücke noch lange intakt sehen. Aber ein zwangsweise zu benutzender Radweg ist nur sinnvoll, wenn er auch weiterführt und wenn man als Radfahrer ohne Absteigen und Schieben über den Schillerplatz kommt.