Israels Verhalten war keine Piraterie
In Foren und Kommentaren tauchte gestern immer wieder folgende Formulierung auf: Da Israel die Schiffe des Hilfs-Konvois auf internationalen Gewässern angegriffen hätte, sei dies ein Akt der Piraterie gewesen.
Das klingt sehr dramatisch, man kann die Aktion damit negativer darstellen, aber falsch ist es trotzdem: Piraten überfallen unangekündigt beliebige Schiffe, um sie auszurauben oder sie zu stehlen. Ziel der Aktion ist die eigene Bereicherung.
Ist dies am 31. Mai so geschehen? Nein, denn wenn „Angreifer“ vorher mehrfach ankündigen, wo sie zu finden sind und die „Opfer“ dann trotzdem genau dorthin fahren, obwohl sie ausdrücklich von den „Angreifern“ weiterhin gewarnt werden, dann ist das nur mit viel Phantasie als Piraterie auslegbar. Auch der Tatbestand der vorgesehenen Bereicherung ist nicht gegeben.
Ob es deshalb in Ordnung war, die Schiffe außerhalb der eigenen Gewässer zu stoppen, kann ich nicht beurteilen. Einerseits gibt es im San Remo-Manual (Paragraf 67) zum internationalen Recht, wie es auf bewaffnete Konflikte auf See anzuwenden ist, die Aussage* :
Handelsschiffe, die unter der Flagge neutraler Staaten fahren, dürfen nicht angegriffen werden, außer
(a) es gibt vernünftige Gründe anzunehmen, dass sie Kontrabande führen oder eine Blockade brechen und nach
vorheriger Warnung, wenn sie die Absicht haben oder s deutlich ablehnen zu stoppen oder absichtlich und sich
deutlich einem Besuch, einer Durchsuchung oder Aufbringung widersetzen.
Allerdings kann man sich aber dabei bereits fragen, ob das auf den aktuellen Vorfall anwendbar ist, denn die israelischen Streitkräfte haben den Konvoi zuerst in besagten Gewässern gestoppt, bevor es sich als bewaffneter Konflikt erwies. Außerdem wurde ich gestern bereits auf das Interview mit dem Völkerrechtler D.E. Khan hingewiesen, worin einige Pro- und Kontra-Aspekte dargestellt werden. Ganz so einfach scheint die rechtliche Situation nicht zu sein. Sollen sich die Experten darüber streiten!
Unabhängig davon kann man sich aber – wenn man so auf dem anscheinend falschen Ort des Vorfalles beharrt – fragen, was an der Sachlage eigentlich grundsätzlich anders zu beurteilen wäre, wenn Israel den Konvoi bis in israelische Hoheitsgewässer gelassen hätte und dort erst genau dasselbe abgelaufen wäre?
Nachtrag: Das San-Remo-Memorandum, eine Ergänzung des UN-Seerechtsübereinkommens, scheint hier nicht anwendbar zu sein, denn dieses völkerrechtliche Vertragswerk wurde zwar bereits von 160 Staaten ratifiziert, allerdings nicht von Israel. (Gefunden auf Spiegelfechter – Nachtrag 2014: Nicht mehr online)
Wie auch immer der Vorfall rechtlich einzutüten ist. Man kann das anders lösen als im Dunkeln mit Kommado-Einheiten die Schiffe zu entern.
Ich bin mir fast sicher dass da noch mehr dahinter steckt. Ich erinnere mal an den russischen Frachter, der ebenfalls unter mysteriösen Umständen gekapert wurde.
Ja, die Frachtergeschichte, war reichlich dubios und scheint bis heute ungeklärt, wenn man mal in Wikipedia „Arctic Sea“ liest. Mir neu war soeben die Passage: „Die mutmaßlichen Piraten selbst geben sich als Naturschützer aus dem Baltikum aus. Sie seien von der Arctic Sea aus Seenot gerettet worden, während der Reise habe sich keine Gelegenheit geboten, von Bord des Schiffes zu gehen. Mehrfach wurde der israelische Geheimdienst als Auftraggeber der Entführung genannt.“
Aber die Konstellation dieser Geschichte ist m.E. doch zu unterschiedlich von der „Mavi Marmara „, um als Vergleich zu dienen. Dass (von beiden Seiten) bisher noch unbekannte Dinge dahinterstecken, kann ich mir auch vorstellen. Wird sich hoffentlich zeigen.
Sollte auch kein Vergleich sein, nur eine Erinnerung dass gerade in diesem Teil der Erde fast nichts so ist wie es dargestellt wird.
Da ich aber nicht mehr weiss, kann ich eben nur daran erinnern.
Auch wenn Fefe mit Vorsicht zu geniessen ist, weise ich mal kurz auf ihn hin: http://blog.fefe.de/?ts=b2f85dba
Da ist einfach zu viel im Busch von dem man keine genauen Informationen hat um eine taugliche Meinung öffentlich zu machen.
Fefe habe ich ja als mit Vorsicht zu geniessen bezeichnet. Ich sehe das eher als Unterhaltung, die Wortwahl ändert aber nichts an den an den verlinkten Berichten.
Aber: Holzlatten, selbst wenn es Eisenstangen wären, gegen vollausgerüstete israelische Kommandoeinheiten mit Protektoren, Helmen etc. und dem Überraschungseffekt? Furchterregend ist das aus militärischer Sicht nicht.
Taktisch war das Entern vollkommen unnötig. Eine Fregatte die bei Tageslicht den Weg versperrt hätte es auch getan. Die Isrealis hatten also eine Intention an Bord zu gehen.
Ich denke sie hatten Hinweise auf Waffen an Bord und wollten die Beweise sichern und zur Propaganda nutzen.
Allerdings scheine ich einer der wenigen zu sein, dem der Nahe Osten nicht so wichtig erscheint. Ich meine wir haben hierzulande genug Probleme.
Dass die Wortwahl nichts am richtigen oder falschen Inhalt ändert oder die verlinkten Quellen ändert, ist natürlich richtig. Mir geht es nur immer so, dass ich Verfasser mit laschem Stil automatisch weniger ernst nehme als andere. Aber Du hast schon Recht (umgekehrt kann ein Verfasser trotz seriösem Stil auch Unrecht haben).
Holzlatten oder Eisenstangen sind möglicherweise nicht furchterregend. Aber ich möchte auch mit Protektoren und Helm nicht in so eine Situation abgeseilt werden:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=S6Xm8Irz-so&color1=0xb1b1b1&color2=0xd0d0d0&hl=en_US&feature=player_embedded&fs=1]
Das sieht aus wie in einem Horrorfilm: Eine Menschenmenge steht schon mit erhobenen Stangen bereit, um anzugreifen. Das ist doch eines der Probleme, die dort auftraten: Die „Helfer“ hatten sich ganz klar auf die Situation vorbereitet und wollten angreifen. Das hat nichts mit der nachher verkündeten Version zu tun, von wegen: „Wir wurden überraschend früh angegriffen und haben uns nur spontan herumliegende Gegenstände gegriffen …“
Schlau war die Vorgehensweise der IDF andererseits tatsächlich nicht, da hast Du Recht. Ob der Nahe Osten weniger wichtig ist, wage ich zu bezweifeln: Da ist ein hochgerüsteter Staat mit Atomwaffen (Israel), umgeben von Feinden, die ihn von der Landkarte radieren wollen. Selbstverständlich haben wir hier auch Probleme*, aber deshalb kann man die auswärts stattfindenden wenigstens mit beachten.
(* Mal sehen, welche neuen Probleme unsere Regierung in den kommenden Tagen klammheimlich schaffen wird, während das Volk so schön mittels Fußball abgelenkt ist!)