Elbtaler
Da so ein Blog ja auch ein Tagebuch ist, möchte ich nur – mehr für mich selbst – festhalten, dass ich heute in eine textreiche Diskussion geraten bin (oder sie ausgelöst habe), deren Ende noch nicht absehbar ist. Auslöser war dieser Kommentar, auf den ich antwortete …
Vielleicht noch so viel: Es gibt eine Initiative, die für die Dresdner Umgebung eine zusätzliche Währung herausgeben möchte. Die Idee ist, die regionale Wirtschaft so zu stärken und der Spekulation entgegenzuwirken. Denn diese Währung „Elbtaler“ soll (wenn ich es richtig verstanden habe) im Laufe der Zeit im Wert abnehmen, wenn man sie nicht ausgibt. Die beabsichtigte Wirkung wäre dann, dass man ein Interesse hat, sein Geld auch auszugeben, statt es zu sparen oder es in spekulative Geschäfte zu investieren.
Ich war selbst einmal kurzzeitig Fan dieser Idee. Auslöser dieser Ansicht war bei mir: Früher, als die Menschen noch Goldmünzen verwendeten, ergab sich durch die ständige Verwendung dieser weichen Metalle ein Abrieb, so dass die Münzen immer weniger Wert wurden. Also war man bestrebt, sie schnell auszugeben, was wiederum den Handel und die Wirtschaft förderte. Geld nur zu behalten, war ungünstig, weil es so Wert verlor. Soweit zur Theorie.
Wenn man aber nur ein wenig darüber nachdenkt: Gab es nicht trotzdem reiche Kaufleute mit Truhen voller Gold? Und vor allem bei denen nutzte es sich eigentlich gerade nicht ab, weil es ruhig in der Truhe lag. Das Problem des Wertverlustes hatten ja gerade die anderen Leute, die nur wenig Gold besaßen und es immer zum Bezahlen einsetzen mussten. Es hat sich also bereits damals gelohnt, Geld auf die „hohe Kante“ zu legen.
Sagen wir mal so: Es ist gut, wenn sich Leute Gedanken über unsere Finanzpolitik machen. Aber von einer parallelen Regionalwährung zum Euro halte ich gar nichts. Siehe Diskussion.
Die wichtigste beabsichtigte Wirkung ist wohl eher, dass das Geld in der Region bleibt. Je nach persönlicher Präferenz kann aber doch jeder Mensch auch seine Euro-Scheine in der Region ausgeben.
Die Finanzprobleme in Europa und auf der Welt werden durch Regionalwährungen jedenfalls ganz sicher nicht gelöst. Da müsste man endlich mit einer Regulierung der Märkte und mit einem Verbot gefährlicher Produkte beginnen.
Dass Geld nach Möglichkeit in der Region bleiben sollte, ist ja auch richtig. Hatten wir schon mal mit „Kauf sächsisch*“. Aber – wie schon bei Dir erwähnt – das setzt die Bereitschaft der Konsumenten voraus, dies auch zu tun. Und insofern richtet sich die Überlegung, zu diesem Zweck Regionalgeld einzusetzen (auch wenn man ein paar Nachteile dafür akzeptiert) exakt an Leute, die das ja ohnehin schon tun. Die anderen Leute werden die Nachteile sehen und es nicht mitmachen.
Zur Lösung globaler Finanzprobleme hatte ich einmal den Gedanken, dass man Verschuldungen so eindämmen könnte: Angenommen, ein Staat (Argentinien, Kalifornien … letztlich auch Deutschland) ist verschuldet und zahlt deshalb schon seit Jahren Zinsen. Sobald die inzwischen als Zinsen gezahlten Gelder den – sagen wir mal doppelten – Betrag des ursprünglichen Kredites erreichen, gilt dieser als getilgt. Denn sonst zahlen sich manche Staaten bis in alle Ewigkeit dumm und dämlich, obwohl die ursprünglich aufgenommene Kreditsumme längst mehrfach gezahlt wurde.
Außerdem müsste man Staaten verpflichten, Kredite beim billigsten Anbieter zu nehmen, wenn schon Kredite oder vergleichbares aufgenommen werden. Es ist ja teilweise verblüffend, zu welchen Konditionen sich Staaten bereitwillig verschulden. Jeder Privatperson würde man sagen: Schön blöd von dir!, aber bei Staaten ist es normal.
Aber ich bin natürlich kein Finanzexperte. Ich habe selbst immer ein gewisses Misstrauen, wenn der normale Bürger alles besser weiß und sehe denselben Effekt hier auch bei mir selbst.
(* Was von Tom Pauls in „Sauf sächsisch“ geändert wurde. Aber selbst das ist ja schon ein Ansatz 😉 )
Natürlich kann man auch mit Euros regional einkaufen. Und vielleicht tuts der nächste der diese Euros bekommen hat ebenso machen. Und der nächste?
Aber nicht nur die Regionalität spielt hier eine Rolle, sondern auch wie Geld geschöpft wird, wie es konstruiert ist und wer es kontrolliert.
Da hängt schon ein bisschen mehr dran.
Eine Regionalwährung hat 2 wichtige Dinge:
1.
Wie angesprochen, hält sie „Geld“ in der Region.
Dadurch wird es möglich, Produktionsketten wieder zu beleben, die durch das „Masse-Geld“ Euro kaputt gegangen sind.
2.
Durch das Gespräch mit den Menschen in der Region kann für 1. ein Bewußtsein geschaffen werden – damit ist viel gewonnen. Ich glaube kaum, daß der Mehrheit klar ist, woher beispielsweise das Mehl für ihr Brot kommt – oder die Milch.
Das ist – rein theoretisch – der Vorteil. Rein praktisch könnte man sich aber mal fragen, wie es die Bayern geschafft haben, auch ohne Regiogeld ihre Finanzen vorwiegend im Land zu halten. Oder wie es in Schwaben dazu kommen konnte, dass eine der ärmsten Gegenden Deutschlands nicht nur ihr weniges Geld in der Region hielt, sondern sogar noch weiteres einnahm, so dass man dort heute (zumindest vom Gefühl her) die reichste Gegend Deutschlands vorfindet. Das lief alles ohne Regiogeld! Umgekehrt kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass eine heutige arme Gegend z.B. Mecklenburgs wirtschaftliche Verbesserungen erfährt, nur weil sie auf Regiogeld umsteigt. In solchen Gegenden könnte man es glatt mal ausprobieren, wenn es schon nichts mehr zu verschlimmern gibt … 😉
Regional gültiges Geld soll heute übliche (globale) Produktionsketten beleben? Wie soll das funktionieren? Es könnte ausschließlich bei rein lokalen Produktionsketten funktionieren. Wenn man sich (Thema „Elbtaler“) mal das Branchenbuch Dresdens vornimmt und Unternehmen sucht, die auf rein lokalen Produktionsketten basieren, wird man wohl (sofern überhaupt etwas zu finden ist) nur wenige Sonderfälle entdecken. Und die benötigen auch Telefone, Computer usw., also Zeug, was nicht mit Regiogeld bezahlbar wäre.
Produktionsketten, die durch den Euro kaputt gegangen sind? Konkrete Beispiele?
Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, woher unsere Waren eigentlich kommen, finde ich auch wichtig. Das kann man aber auch ohne den Umweg über Regiogeld, man könnte also sofort zum Ziel kommen. Damit würde man ebenfalls die Bereitschaft fördern, dass Leute ihr Geld freiwillig mehr für lokale Produkte ausgeben – allerdings völlig egal, mit welcher Währung.
@ Bayern, Schwabenlländle etc.
Könnte evtl. auch mit dem Länderfinanzausgleich bzw. dem >Finanzvolumina zu tun haben. So weit ich weiß bzw. gelesen haben, hat Bayern in den 1960ern stark davon profitiert … nach der Wikipedia-Statistik sogar bis Mitte der 1980er Jahre.
BW hat immer von der Autoindustrie etc. profitiert und könnte evtl. auch weniger ländlich geprägt gewesen sein, als z.B. Bayern oder industrieschwächere Regionen.
Bin kein Experte, doch Geld fließt nun mal am ehesten dahin, wo’s viel zu verdienen gibt 🙂
@ Regionalgeld wofuer?
Primär werden’s wohl Lebensmittel sein, evtl. Dienstleistungen sowie Kultur inkl. Kunst … alles, was nicht irgendwie global verbandelt ist bzw. ab wo es nicht mehr global verbandelt ist.
@ Produktionskette, „kaputt“ durch Euro
Das Wort „kaputt“ ist etwas überspitzt, würde ich meinen. Doch europaweite oder globale Währungen, plus Ausgliederung externer Kosten plus große Produktionsflächen plus industrieller Einsatz von Groß- und Größtmaschinen sowie Dünger etc. machen nunmal spanische Tomaten billiger als sächsische 😉 … plus Subventionspolitik … laut diesem taz-Artikel waren das EU-weit allein 60 Mrd. Euro – davon sieht Bauer Müller oder Schwarzwälder „um die Ecke“ vermutlich recht wenig 😉
Durch Regiogeld könnte der (Klein-)Bauer evtl. seinen Markt (wieder) erweitern, denke ich. Das setzt natürlich auch einen weiteren Bewusstseinswandel in der Bevölkerung voraus, also umso mehr Dioxin-Gammelfleisch-Genmanipulations-„Skandale“ und-„Skandälchen“, desto besser für ihn 😉
@ Regional „shoppen“ auch mit Euro
Klar, geht das auch in Euro, keine Frage … doch wenn weiter gekürzt und gespart wird und Geldern in andere Kanäle fließen, z.B. zur Hypo-Real-Estate 😉 … dann werden sich die Zeiten auch wieder mal ändern 😉