CD-Käufe, die Schweiz und Steuern

Da das Thema „Kauf der CD mit Schweizer Bankdaten“ momentan viele beschäftigt, versuche ich heute einmal, gesammelte unterschiedliche Gedanken zu dem Thema aufzulisten, die mir in den letzten Tagen auf- und eingefallen sind:

Ist der Kauf nun berechtigt? Dass es sich hierbei nicht um den Tatbestand von Hehlerei handelt, hatte ich kürzlich schon erwähnt. Es ist übrigens auch aus einem zweiten Grund keine Hehlerei, da nichts gestohlen sondern nur kopiert wurde.

Sind das aber nicht reine Formulierungsspitzfindigkeiten? Auch wenn wir es nun nicht mehr als Hehlerei einstufen, so bleibt es doch bedenklich, wenn der Staat Kriminelle bezahlt.

Ist der CD-Anbieter aber tatsächlich ein Krimineller? Was wäre, wenn derjenige die Daten kostenlos zur Verfügung gestellt hätte? Wäre jemand auch kriminell, wenn er beispielsweise auf einen verheimlichten Umweltskandal seiner Firma hinwiese? Ist der Anbieter nicht eher wie ein Kronzeuge oder ein verdeckter Ermittler zu bewerten? Da er sich selbst gefährdet hat, unterstützt unser Rechtsstaat ihn nun mit finanzieller Ausstattung und ermöglicht ihm ein „neues” Leben. Heinrich Kieber, der 2007 Daten der Liechtensteiner LGT-Bank für 4,6 Mill € anbot, erhielt auch eine neue Identität (1).

Sicher – so könnte man es umdeuten. Aber die Bundesrepublik hat den aktuellen Anbieter nun einmal nicht als verdeckten Ermittler eingesetzt, sondern dieser ist selbständig auf den Staat zugekommen. Er hat etwas getan, was in dem Land der Tatausübung als Verbrechen gilt: Datendiebstahl. Finanziellen Schutz hat auch nicht die BRD angeboten, sondern der Anbieter hat es von vornherein nicht umsonst angeboten.

Andererseits: Wenn komplette Datensätze in einer Bank einfach so entwendet werden können, zeigt das eklatante Sicherheitsmängel und dann trägt die Bank selbst zumindest eine Teilschuld. Pech gehabt!

Außerdem existieren grundsätzlich keine rechtlichen Probleme mehr beim Kauf. Schon bei der CD von Lichtenstein wurden diese ausgeräumt.

Wie lief es bei den Daten aus Liechtenstein?

Der Vorfall mit den Daten aus Liechtenstein zeigt uns ohnehin, dass wir uns die gesamte Aufregung sparen können, weil kaum etwas passieren wird. Man erhielt zwar 110 – 180 Mill. € als Nachzahlungen (unterschiedliche Angaben in den Zeitungen), aber grundsätzlich hat sich nichts an der Ursache und der Möglichkeit zur Steuerhinterziehung geändert. Notfalls kann man sich auch heute noch jederzeit selbst anzeigen und geht straffrei aus. Wie viele Anklagen gab es in dem Liechtenstein-Komplex? Eine einzige, gegen Klaus Zumwinkel. Dieser Vorfall wurde eine reine Farce: Weil ein Amtsrichter den Durchsuchungsbeschluss für Zumwinkels Haus einen Tag zu spät unterschrieb, waren Taten vor 2002 verjährt. Damit sank die Summe der Zumwinkel zur Last gelegten Steuerhinterziehungen von 1,18 Millionen auf 996.000 Euro – knapp unter die magische Million (2). Was für ein Zufall! Wie ging es aus? Schlagzeile: „Bochumer Gericht erspart dem ehemaligen Postchef eine Haftstrafe – und doch verurteilt es ihn mit deutlichen Worten“ (3). Der arme Mann! Die einzige wirklich Betroffene aus der Affäre war die Staatsanwältin, die nun ihren Job los ist (4).

Aber hat das andererseits tatsächlich keinen Nutzen? Der erste Steuerflüchtling hat sich bereits selbst angezeigt (6) und wird 4,5 Mill € nachzahlen. Also hat sich die ganze Aktion bereits rentiert. Wenn man den wirtschaftlichen Erfolg der Liechtenstein-DVD sieht, hat man es hier mit Gewinnspannen zu tun, die ansonsten weder mit Erdöl, mit Rauschgift oder mit Hedgefonds erzielbar wären. Weiter so! Und  es ist an der Stelle sogar uninteressant, ob es die Daten-CD überhaupt gibt, oder ob die Angelegenheit nicht ohnehin völlig frei erfunden war. Angesichts der Meldungen, dass angeblich ständig weitere CDs auftauchen (wieso eigentlich keine heute üblichen USB-Sticks?), ist diese Vermutung nicht ganz abwegig. Das läuft auf die Bemerkung Steinbrücks hinaus, es reiche, dass die Indianer wüssten, dass die Kavallerie bereit stünde. Egal, ob sie dann auch wirklich ausrückt. (Wieso Schweizer Journalisten darin eine Beleidigung der Schweizer erkannten bleibt rätselhaft, denn mit „Indianern“ meinte Steinbrück deutsche Steuerflüchtlinge).

Wir bekommen ein Klima des Denunziantentums

Ja, aber solche Daten anzubieten, das schafft ein Klima neuen Denunziantentums und das erinnert – gerade in Deutschland – an ganz üble Zeiten.

Soso … interessant, dass manche Leute immer wieder der Meinung sind, durch Nazivergleiche unangenehme Themen abwürgen zu können. Aber das eine hat mit dem anderen wenig zu tun. Denunziantentum, bei dem man befürchten muss, im Gefängnis zu enden, nur weil der Nachbar einen – vielleicht sogar noch mit völlig frei erfundenen Behauptungen – anschwärzt, ist heute zum Glück nicht gegeben. Hier geht es um konkrete Vorwürfe der Steuerhinterziehung in größerem Umfang. Das ist etwas völlig anderes. Hier geht es bestenfalls um Datendiebstahl – was hat das mit Denunziation zu tun? Ja, aber nun müsste jeder Chef Angst haben, von jedem Mitarbeiter angezeigt zu werden, hört man quer durch die Talkshows. Das setzt allerdings voraus, dass der Chef auch etwas verbrochen hat. Und selbst wenn, dürften die meisten Mitarbeiter zunächst daran interessiert sein, ihre Jobs zu behalten und werden sich so etwas gut überlegen. Das wird man nur riskieren, wenn man ohnehin schon entlassen wurde, oder wenn das Betriebsklima schwer gestört ist. Abgesehen davon, war so etwas auch schon vor dem Angebot der Daten-CD möglich. Ein schöner Anreiz also für alle Vorgesetzten, angenehme Arbeitsverhältnisse zu fördern.

Hat unser Staat überhaupt Interesse an Steuerzahlungen?

Wenn es vor Steuerbetrug schützt, vielleicht. Aber schützt es wirklich? Ein normaler Angestellter hat sowieso schon einmal kaum Möglichkeiten zum Steuerbetrug, da die meisten Steuern automatisch abgeführt werden. Schützt es bei Firmen? Große Firmen zahlen bekanntlich kaum oder gar keine Steuern (8, 9), kassieren aber gern Subventionen. Kleineren wird es auch nicht allzu schwer gemacht (10), denn zwischen den Bundesländern tobt scheinbar ein Wettbewerb um die nachlässigsten Steuerprüfungen: „In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Quote der Umsatzsteuer-Prüfung in den Bundesländern auf einem niedrigen Niveau angeglichen: Bundesweit schauen Finanzbeamte dafür im Schnitt nur noch alle 50 Jahre bei einer Firma vorbei“ (11).

Wie wenig Interesse der Deutsche Staat tatsächlich an Steuereinkünften zu haben scheint, zeigt sich nicht nur an der schlechten Ausstattung der Finanzämter, sondern auch an den geradezu unglaublichen Vorgängen in Hessen, bei denen zu erfolgreiche Steuerfahnder erfolgreich entsorgt wurden (12,13). Dass dies mit der vorangegangenen Aufdeckung schwarzer Konten unserer demokratischen Parteien in Liechtenstein und damit verbundener Steuerhinterziehung durch die Parteien selbst zu tun haben könnte, oder dass sich CDU & FPD für die Ermittlung illegaler Parteispenden rächen wollten, ist sicher nur eine völlig an den Haaren herbeigezogene Behauptung (14).

Soll diese aufgebauschte Geschichte mit dem CD-Kauf also nur von anderen Dingen ablenken? Würden die abgeschätzten Steuernachzahlungen tatsächlich signifikante Beträge in den verschuldeten Staatshaushalt fließen lassen? Sind die Beträge, die in der Schweiz angelegt wurden, überhaupt wirklich so hoch?

90% aller deutschen Anleger in der Schweiz rekrutieren sich aus dem Mittelstand. Die allermeisten Anlagekonten stammen aus Einkommen die schon versteuert wurden und deren Kapitalerträge ebenfalls bezahlt werden. Die Masse der deutschen Anleger in der Schweiz sind “kleine Fische” deren mühsam angespartes Vermögen im Durchschnitt bei ca. 80.000 EUR/Person liegt. Teilweise wurden hiervon zwar Zinseinkünfte nicht oder falsch versteuert, dies geschah aber eher versehentlich. (Das fand ich nur als Blog-Eintrag bei „Anne Will“ ohne weitere Quellenangabe).

Ja, und? Ist versehentlicher Steuerbetrug keiner? Und letztlich geht es in den meisten Fällen sogar exakt um die unversteuerten Einkünfte aus Zinsen. Dabei ist es also egal, ob das Startkapital versteuert wurde. Was ist übrigens mit den restlichen 10%? Die bereits erwähnte erste Selbstanzeige mit 4,5 Mill € Nachzahlung passt schlecht in diese schöne Geschichte vom Kleinanleger, der nur versehentlich etwas vergessen hat. Hier geht es um Betrüger, die im großen Stil, kaltblütig und geplant vorgehen. Diese Leute erwarten nun eine Gleichbehandlung ihrer Taten mit „kleinen Fischen“, obwohl sie im normalen Leben eher nichts mit solchen zu tun haben wollen.

Sind wir nicht alle kleine Steuersünder?

Aber was soll andererseits diese Neiddiskussion? Wer von uns betrügt nicht bei der Steuer, wer hat nicht schon einmal schwarz gearbeitet? Wer hat beim Handwerker nicht schon einmal auf die Rechnung verzichtet? Ehrlichkeit fängt im Kleinen an. Dem Staat gehen z.B. jährlich 350 Mrd. € Steuereinnahmen durch Schwarzarbeit verloren!

Entschuldigung: 350 Mrd. €? Bei rund 80 Mill. Einwohnern, Kinder und Rentner mit eingerechnet? Wer erfindet eigentlich solche weltfremden Zahlen? Und selbst wenn: Es ist ein Unterschied, ob eine Putzfrau schwarz arbeitet oder ob jemand Gelder im großen Stil hinterzieht. Diese Putzfrau wird sicher keine 80.000 € bei einer Schweizer Bank haben. Sie wird auch nie in die Verlegenheit kommen, 4,5 Mill. € Steuern auf Zinseinkünfte nachzahlen zu müssen. Außerdem wird jeder schwarz erarbeitete Cent hier im Inland ausgegeben und in den Wirtschaftskreislauf zurückgegeben.

Wo liegt das eigentliche Problem? Sind die Steuern in Deutschland zu hoch? Sie sind ähnlich wie in vergleichbaren europäischen Staaten. Und würde man wirklich lieber zahlen, wenn sie geringer wären? Unsinn: Man gibt grundsätzlich ungern Geld aus, wenn man keine unmittelbare Gegenleistung erhält. Man würde auch ungern Steuern zahlen, wenn sie nur halb so hoch wären.

Soll das nun etwa bedeuten, dass die Höhe der Steuern in Deutschland gerechtfertigt ist? Unsere Steuern verschwinden teilweise in den aberwitzigsten Projekten, von denen nur stellvertretend unser Einsatz in Afghanistan oder die Rettung maroder Banken genannt zu werden braucht. Ist es da nicht in Ordnung, wenn man als Bürger sein Geld in Sicherheit bringt und solchen Verschwendungsorgien entzieht?

Das ist der falsche Ansatz, denn mit solchen Begründungen kann man alles – wohinter eigentlich nur Egoismus und Geiz stecken – als etwas sehr Edles verkaufen.

Andere Steueroasen

Was wäre eigentlich, wenn die Schweiz das Bankengeheimnis aufgibt? Dann bleiben immer noch andere Steueroasen (15). Die für „Sparfüchse“ interessanteste, Delaware (16), liegt ausgerechnet in den USA, dem Land, welches als erstes durch Druck auf die Schweiz Lockerungen beim Bankgeheimnis erreichte.

In Europa bleibt uns zumindest außerhalb der Alpen das gut erreichbare Luxemburg – man muss also nicht erst auf kleinere britische Inseln oder nach Kreta fahren. Und so werden Zollbeamte beim Kontrollieren in der Bahn auch weiterhin auf gut aufgeklärte Fahrgäste mit Ziel Oase stoßen: Die meisten haben genau 9.990,00 € im Geldbeutel.

Kommt ein Deutscher mit 1 Mio. € im Koffer zur Crédit Suisse und flüstert dem Bankangestellten zu: “Ich möchte dieses Geld bei Ihnen auf ein Konto legen”. Sagt der Bankangestellte: “Sie können ruhig laut sprechen, bei unserem Institut ist Armut keine Schande”.

Quellen:

(1) Liechtenstein-Dateien
(2) Zumwinkel (Nachtrag 2013: nicht mehr online)
(3) Zumwinkel, Urteil  (Nachtrag 2013: nicht mehr online)
(4) Zumwinkel-Anklägerin gibt auf
(6) Erste Selbstanzeige
(8) Deutsche Firmen zahlen praktisch keine Steuern in Deutschland (Korrektur 2017: Quelle nicht mehr online)
(9) Beispiel Deutsche Bank
(10) Die große Steuerhinterziehung findet im Inland statt
(11) Zu wenig Finanzbeamte „Deutschland – ein Steuerparadies“
(12) Entlassung zu erfolgreicher Steuerfahnder in Hessen
(13) Hessen, Text 2 (Jan. 2016: nicht mehr online)
Steuerhinterziehung durch Parteien und Mobbing übereifriger Steuerfahnder
(14) Steueroasen (Update: Link nicht mehr verfügbar)
(15) Delaware