Arbeit und Soziales
Am letzten Sonntag konnte ich mich endlich einmal diesem dringenden PC-Problem widmen. Immer wieder hatten mich Nutzer darauf angesprochen: „Du, Frank, der Computer ist schon wieder abgestürzt!“ Ich fragte in solchen Fällen stets spitzfindig: „Wie jetzt – abgestürzt? Hängt ein Programm? Bewegt sich die Maus nicht mehr? War ein blauer Bildschirm mit vielen Zeichen zu sehen? Hat er sich ganz ausgeschaltet?“ Ja, das ist fies von mir, immer mein Fachwissen so vor mir her zu tragen und darauf zu verweisen, Absturz sei nicht gleich Absturz. Aber die Leute sagten dann stets, nein, er sei eben richtig, komplett abgestürzt. Hardwaremäßig. Jedesmal, wenn man mit dem Arm zu nahe an ihn herankommt, stürzt er ab. Dann gibt es immer so ein lautes schepperndes Geräusch. Na, das hätten sie auch gleich sagen können! „Lautes“ und dann auch noch „schepperndes“ Geräusch – ganz klar ein Problem mit der Soundkarte!
Das ist der Vorteil, wenn man PC-Fachkenntnisse hat. Allerdings muss ich ehrlich zugeben, dass viele dieser Kenntnisse nach wenigen Jahren nichts mehr wert sind. Beispielsweise könnte ich heute noch perfekt erklären, wie man SCSI-Festplatten richtig verkabelt und terminiert. Und was Terminierung bedeutet und wie man die Abkürzung „SCSI“ korrekt ausspricht. Inzwischen könnte ich dieses Wissen allerdings wieder löschen, mangels geeigneter Hardware. Da bin ich immer froh, dass es außerhalb der schnelllebigen Computerwelt noch Kenntnisse gibt, die dauerhaft Bestand haben. Die man auch später noch an die Kinder und Kindeskinder weitergeben kann. Zum Beispiel „Wie befeuere ich einen Kachelofen, ohne dass die Wohnung voller Qualm steht?“ oder „Wie bediene ich einen Super8-Projektor“… da gibt es genügend Beispiele.
Aber, wie gesagt, bei Computern – da ist nicht nur die Technik schnell veraltet, sondern auch manche Anwendung schnell wieder überholt. Zum Beispiel die gute alte LAN-Party. War eine Weile total angesagt, macht aber heute kein Mensch mehr. Und das ist ja auch klar – heute haben alle DSL und da kann jeder von zu Hause aus ständig bei irgendeinem Netzwerkspiel mit einsteigen. Wozu soll man da noch irgendwo hinfahren? Früher (als man noch mit dem guten alten Modem ins Internet ging) gab es auch bei uns im Haus noch große LAN-Partys. Da wurden mehrere Etagen im Medienkulturzentrum zur „twylight-zone“ erklärt, verkabelt und dann zogen cool aussehende junge Menschen mit ihren PCs übers Wochenende ein. Da ging was ab! (Wurde mir erzählt).
Gibt’s leider alles nicht mehr!
Zumindest dachte ich das. Umso überraschter war ich, als ich kürzlich beim Elternabend (ja, auch ich bin ein Elter!) hörte, dass sich die Jungen der Klasse auf die Frage, was sie gern einmal außerhalb des Unterrichts gemeinsam unternehmen würden, für eine LAN-Party entschieden hatten. Und die Lehrer hatten das abgelehnt! Ich dachte – das geht doch nicht! Da muss man doch eingreifen! Da muss man aktiv werden und etwas tun! Man hat ja auch einen sozialen Auftrag! So viele Phrasen schossen mir blitzartig durch den Kopf! Die armen Kinder! Naja, Kinder… 14jährige. Wenn die sich nicht virtuell abreagieren können, richten sie das nächste Massaker im realen Leben, also in ihrer Schule an… Und schlagartig fiel mir ein, dass auf Arbeit 10 PCs herumstehen, die wir einmal gekauft hatten, damit man auch Projekte mit Computerspielen durchführen könne. Der Gedanke war damals, Eltern zu zeigen, womit sich ihre Sprößlinge den ganzen Tag beschäftigen. Und sie zu ermutigen, einmal selbst Hand an die Maus zu legen und im virtuellen Raum den am Neben-PC sitzenden Lebensgemeinschaftspartner virtuell niederzumachen. Nun gut – die Eltern blieben aus, aber die Computer sind immer noch vorhanden. Also ließ ich am nächsten Tag zu Hause beiläufig „Eure LAN-Party könnt Ihr ja auch bei uns machen“, fallen. Und schlagartig war die Teilnehmerliste voll.
Und deshalb war ich sonntags arbeiten. Ich wollte zur Einleitung der LAN-Party ursprünglich noch ein paar medienpädagogische Worte verlieren, beschränkte mich dann aber auf den Hinweis, dass sie auf dem Klo nicht im Stehen pinkeln sollen. Das Lehrvideo, in dem erklärt wird, warum man auf solchen Veranstaltungen keine cheats einsetzen soll, kannnten sie schon. Konnte ich mir also auch schenken. Deshalb dröhnte aus dem Keller bald der Schlachtenlärm herauf. Da draußen ein ziemliches Sau-Wetter herrschte, war es wenigstens kein verlorenes Wochenende. Ich konnte endlich einmal in Ruhe die DVD für die ANIMA fertig machen. Nachmittags begann ich mir Gedanken zu machen, ob ich diese aufgeheizten Kids dann zur angesetzen End-Zeit von den PCs loseisen könne und ob ich nicht lieber freiwillig eine Stunde draufschlage. Aber nein, sie kamen freiwillig – annähern pünktlich –und verabschiedeten sich. Völlig entspannt. Und gaben mir sogar noch höflich die Hand. Das gab mir zu denken, denn es entspricht allen Theorien über die Auswirkungen gewaltverherrlichender Computerspiele.
Die haben dann bestimmt in der Straßenbahn noch einen Rentner verprügelt.