Dresden erhält den Bürgerhaushalt

Soso, anscheinend wurde im Stadtrat soeben beschlossen, dass Dresden einen Bürgerhaushalt bekommt. Klingt interessant, aber was ist das überhaupt? Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung habe. Logischerweise fragte ich Google und stellte fest: So genau definiert scheint das nicht zu sein:

„Für einen Bürgerhaushalt sind (…) folgende fünf Bedingungen zu erfüllen:

1. Im Zentrum der Beteiligung stehen finanzielle Angelegenheiten, es geht um begrenzte Ressourcen.

2. Die Beteiligung findet auf der Ebene der Gesamtstadt oder auf der eines Bezirks mit eigenen politischen und administrativen Kompetenzen statt. Ein Stadtteilfonds allein, ohne Partizipation auf der gesamtstädtischen bzw. bezirklichen Ebene, ist kein Bürgerhaushalt.

3. Es handelt sich um ein auf Dauer angelegtes und wiederholtes Verfahren. Ein einmaliges Referendum zu haushalts‑ oder steuerpolitischen Fragen ist kein Bürgerhaushalt.

4. Der Prozess beruht auf einem eigenständigen Diskussionsprozess, der mittels Internet oder Versammlungen bzw. Treffen geführt wird. Eine schriftliche Befragung allein ist demnach kein Bürgerhaushalt. Ebenso nicht die bloße Öffnung bestehender Verwaltungsgremien oder Institutionen der repräsentativen Demokratie.

5. Die Organisatoren müssen Rechenschaft in Bezug darauf ablegen, inwieweit die im Verfahren geäuβerten Vorschläge aufgegriffen und umgesetzt werden.“

Quelle: www.buergerhaushalt.org (nicht mehr online, Jan 2017)

Klingt sehr unkonkret (und könnte also glatt von den Piraten kommen … kleiner Scherz!). Anscheinend läuft es darauf hinaus, dass wir Bürger über unsere Finanzen mitbestimmen können. Finde ich prinzipiell erst einmal gut, andererseits frage ich mich, wie viele Bürger sich daran wirklich beteiligen werden und wie kompetent wir Normalbürger dafür eigentlich sind? Ich bin noch ein wenig am Nachdenken über die Vor- und Nachteile.

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Informationen dazu: Unterlagen der heutigen Stadtratssitzung, siehe TOP 14

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15 Comments

  1. Hallo Micha, das war ein guter Gedanke von Dir. Ich hatte auch schon überlegt, ob ich mal einige Dresdner Fraktionen anschreibe. Ich dachte aber zunächst an die Grünen. Auf Facebook hatte ich jemanden von der CDU gefragt (Stefan Zinkler, der gerade zufälligerweise etwas zu dem Thema schrieb) warum die CDU dagegen gestimmt hatte?

    Seine Antwort: „Schlechtes Aufwand- und Interesse-Verhältnis. Bei der Vorstellung des Haushalt durch die Stadt kommen regelmäßig wenige Personen. Auch Einwendungen gibt es sehr wenige. Wenn wirkliches Interesse bestünde, würde das durch die intensive Teilnahme von Dresdnerinnen und Dresdnern dokumentiert werden. dagegen steht ein immenser Zeit- und Kostenaufwand.“

    Dazu äußerte sich auch noch sein „Kollege“ Dr. Reuther: „Bericht von einer Bürgerversammlung zum letzten Doppelhaushalt in DD-Bühlau: Guter Vortrag von BM Vorjohann, gute Druckschrift der Stadtverwaltung mit verständlichen Darstellungen, Teilnehmerzahl ca. 10, davon 3-4 „echte“ Bürger, Rest Stadtverwaltung und ein Stadtrat (ich). Die Veranstaltung war in der Presse sowie im Amtsblatt angekündigt. Von großem Interesse der Bürgerschaft kann also wirklich nicht gesprochen werden (…)“

    Das klingt insofern nicht direkt abwegig, angesichts solch geringen Interesses auch einmal etwas aus dem Bereich „Mehr Bürgerbeteiligung“ von vornherein abzulehnen, wenn sich erfahrungsgemäß ohnehin kaum Bürger beteiligen. Ich bin ja nun als Blogger inzwischen schon gelegentlich auf Themen gestoßen, bei denen ich bei verschiedenen Parteien oder Behörden recherchieren musste. Mein Fazit war bisher, dass man eigentlich ziemlich viele Informationen erhält. Insofern stehe ich selbst dem Gedanken „Mehr Bürgerbeteiligung“ etwas skeptisch gegenüber, da dieser ja nicht nur einseitig von Parteien ausgehen sollte, sondern auch einige Bürger benötigt, die sich tatsächlich beteiligen wollen. Schon vor dem Aufkommen der Piratenpartei haben ja hauptsächlich die Grünen gern „Mehr Bürgerbeteiligung“ gefordert. Ich habe mich damals schon gefragt: „Wie viel denn noch? Wir haben doch bereits viele Möglichkeiten?“

    Also, es ist nicht so, dass ich gegen Bürgerbeteiligung wäre. Aber ich bin auch ein Freund von realistischem Herangehen und kann insofern die CDU-Position nachvollziehen. Allerdings kann man beim Bürgerhaushalt auch fragen, wie hoch denn der Aufwand wäre? Am Ende ist es gar nicht so viel, und dann könnte das schon sinnvoll sein.

    Johannes Lohmeyers (FDP) Meinung scheint nicht ganz deckungsgleich mit der Position der FDP-Stadtratsfraktion zu sein – er schrieb zum Thema „Bürgerhaushalt“: „Wurde schon in Hamburg probiert, mit eher mäßigem Erfolg. Für Dresden vermute ich das gleiche. (…) Trotz geringer Beteiligung finde ich solche Formen gut, da sie denjenigen, die sich nicht in einer Partei engagieren möchten, die Gelegenheit gibt, ihre Wünsche und Prioritäten einzubringen. Inwieweit dies dann verbindlich sein sollte, ist die zweite Frage. Das sehe ich eher kritisch.“

    In Hamburg hat es also kaum funktioniert, aber man kann ja aus Fehlern lernen. In dem Stadtrats-Antrag Nr.: A0526/12 steht, dass es anscheinend auch funktionieren kann: „Gelungene Beispiele für Bürgerhaushalte aus Potsdam oder Köln zeigen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger an den Bürgerhaushaltsberatungen beteiligen, wenn das Konzept einladend gestaltet wird.“

    Ich weiß nicht, ob das dort tatsächlich so gut funktionierte oder ob die hohe Beteiligung nur auf eine erste Begeisterung der Leute zurückzuführen ist, aber die Idee eines „interaktiven Haushaltsplans in Form einen virtuellen Haushaltsrechners“ klingt zumindest schon einmal nicht schlecht. Möglicherweise kann man so als Bürger ein besseres Verständnis für den Haushalt der Kommune entwickeln.

  2. Bei solchen Themen bin ich prinzipiell für Ausprobieren … wenn’s nicht so läuft wie gedacht, dann Fehleranalyse und nochmal. Beim zweiten oder dritten Mal „Scheitern“ kann man das Ganze dann erstmal ein paar Jahre auf Eis legen … bis es wieder Anläufe gibt.
    Wie soll der Bürger plötzlich kapieren, dass er mitmachen kann?
    Nach all den Jahren des „Information – ja (wenn auch mitunter schwerlich), mitreden – okay (aber nicht immer), mitmachen – wenn’s unbedingt sein muss und sich nicht verhindern lässt“ … Demokratie braucht Zeit, direkte Demokratie noch mehr.

  3. Ausprobieren … ja. Sehe ich eigentlich genauso. Allerdings wäre wirklich zu klären, ob
    – der Aufwand für diese Neuerung namens „Bürgerhaushalt“ eventuell doch hoch ist (keine Ahnung!)
    – ob die Bürgermeinung dann auch wirklich Einfluss hat
    – und was eigentlich passiert, wenn sich zu viele Bürger beteiligen, die gar keine Ahnung vom Thema haben (da würde ich mich selbstkritisch einordnen)
    Also noch mal – nicht dass das falsch verstanden wird: Ich bin nicht gegen den Bürgerhaushalt! Ich wurde ja lediglich von diesem Thema überrascht, weil ich gar nicht wusste, dass es so etwas gibt und nun mache ich mir eben meine üblichen Pro/Kontra-Gedanken. Es kann durchaus eine sinnvolle Sache sein. Der Durchschnittsbürger (da nehme ich mich als stellvertretendes Beispiel) wird sicher nicht die Kompetenzen haben, solche Dinge kompetent zu beurteilen, aber möglicherweise gibt es in Dresden ein paar Wenige, die durchaus die Kompetenz haben und die können dann vielleicht ein paar positive Überlegungen beisteuern.

    Wie soll der Bürger plötzlich kapieren, dass er mitmachen kann? (…) Demokratie braucht Zeit, direkte Demokratie noch mehr.

    Das lasse ich jetzt mal nicht gelten 🙂 Denn als Bürger in der BRD sollte man nun inzwischen schon einmal mitbekommen haben, dass man
    – Stadt- und Landtagssitzungen und Ähnliches besuchen kann
    – sich an Abgeordnete wenden kann
    – Bürgerversammlungen besuchen kann (und schon lange verschiedene weitere Möglichkeiten der Beteiligung hat)

  4. Frank: „Das lasse ich jetzt mal nicht gelten 🙂 Denn als Bürger in der BRD sollte man nun inzwischen schon einmal mitbekommen haben, dass man
    – Stadt- und Landtagssitzungen und Ähnliches besuchen kann
    – sich an Abgeordnete wenden kann
    – Bürgerversammlungen besuchen kann (und schon lange verschiedene weitere Möglichkeiten der Beteiligung hat)“

    Alles Schein-Varianten der Mitgestaltung … Informieren und Mitreden ja, mitmachen nein …
    Ja, Beteiligung ist schon jetzt möglich … eben nur keine direkte. Schon mal irgendetwas mitentschieden in dieser Stadt – außer bei der Stadtratswahl oder einem der drei Bürgerentscheide???

  5. Nur Schein-Varianten … hm.

    Was stellst Du dir denn konkret unter dieser ominösen „direkten Demokratie“ vor? Wie soll das funktionieren, dass jeder einzelne Bürger nachweisbar mit spürbaren Ergebnissen mit entscheidet? Frag doch mal Leute, die aktiv in der Politik sind, ob selbst sie wirklich schon einmal auch nur auf den Ausgang einer einzigen Sache nachweisbar Einfluss nehmen konnten? Bei ca. 500.000 Einwohnern ist es nun einmal schwierig, dass die Meinung eines Einzelnen sich wirklich durchsetzt.

  6. Frank: „Was stellst Du dir denn konkret unter dieser ominösen “direkten Demokratie” vor?“

    Hmm, z.B. über die Planungszelle
    Man sollte auch die Zugangsbestimmungen zur Wahl des Oberbürgermeisters bzw. -in vereinfachen 🙂

    Ich denke, wir brauchen uns da beide nichts vorzumachen … so viel würde sich mittelfristig gar nicht verändern. Ich denke, dass es bei mehr Beteiligungsmöglichkeiten weniger Meckerer und vermutlich vielleicht sogar weniger Aktive in diversen Vereinen und Bürgerinitiativen geben würde 🙂

    Ich bin ehrlich, ich will mehr direkte Demokratie nicht unbedingt, weil ich Herrn Hinz und Frau Kunz die Stadt übernehmen lassen will, sondern weil es weniger hektisch, destruktiv und marktschreierisch zugehen würde – meine Meinung.

    Allein die Veränderung des Wahlgesetzes, z.B. man bräuchte keine vierstelligen Unterstützerstimmen mehr (Landtagswahl), sondern einfach anmelden und auf den Wahlzettel kommen … so viel mehr Parteien würde es m.E. nach nicht geben, vielleicht eine Wahl lang und dann erübrigt sich das wieder. Dasselbe bei der Oberbürgermeister-Wahl etc.

    @ Mitentscheiden
    Ich würde z.B. ein Stadtteilparlament zulassen, ähnlich dem Ortsbeirat – eben nur mit mehr Macht, d.h. nicht nur Beratung für den Stadtrat, sondern auch Entscheidung – sofern stadtteilrelevant. Vermutlich würde so ein Parlament – mangels Durchhaltevermögen – gar nicht lange existieren 😉

    Mitentscheiden ist so eine Sache – das sollten primär schon Gremien wie der Stadtrat oder eben ein Stadtteilparlament machen. Mir geht’s nicht um eine Dauerbespaßung mit Mitenscheidungsprojekten 😉

    @ Einfluss von Politikern
    Da gebe ich dir Recht … viel Einfluss hat der einzelne Politiker nicht. Erfolge meist Mangelware … doch viele tragen ja selbst aktiv dazu bei, indem sie sich an die Fraktionsdisziplin halten 😉

    Es geht auch nicht darum, dass sich die Stimme eines Einzelnen durchsetzt … Klar wollen viele, dass es so wird, wie sie es wollen. Es geht bei der Sache, die ich persönlich unter „direkter Demokratie“ verstehe, wohl vielmehr darum, dass Menschen praktisch erleben, dass manche Dinge eben nicht sooo einfach sind wie sie sie sich vorstellen und andere dagegen ganz simpel 🙂
    Direkte Demokratie ist mehr der Prozess …

    Meinetwegen könnte auch einmal im Jahr so etwas wie „Dresdner arbeiten als OB“ stattfinden, d.h. es werden Dresdner ausgelost (aus denen die wollen, sprich sich anmelden oder so), die dann für einen Tag mal den Job der OB oder des Sozialbürgermeisters übernehmen …. der dann den ganzen Tag mit dabei ist. Das kann man dann im Dresden-Fernsehen zeigen … würde sicher viele interessieren.

    Ich denke, die Politik bzw. die Politiker kann/können viel offener sein … doch da halten sich das Misstrauen auf der einen und auf der anderen Seite vermutlich die Waage 😉 … läuft’s eben so weiter wie es ist – auch okay.

  7. Ich habe übrigens soeben einmal bei den Dresdner Piraten im Blog nachgesehen: Noch keine Antwort auf Deine Frage. Naja, wahrscheinlich diskutieren sie es per liquid feedback zunächst noch aus 😉

    Schauen wir nächstes Jahr noch einmal nach!

  8. Vor und während und nach „liquid feedback“ ist immer ein „liquid laidback“ notwendig 😉 … oder „Gut Ding will Weile haben“ oder „In der Ruhe liegt die Kraft“ …
    Im Ernst … ich habe die Vermutung, dass den Piraten Dresden einfach das Personal etwas fehlt – kein Vorwurf, sondern eher/eben eine Vermutung meinerseits.

  9. Tja, wenn Du dort nicht mehr mitmachst, fehlt freilich Personal. Schon schlimm, dass sich Bürger wie Du nicht bei einer Partei beteiligen, die immerhin für mehr Bürgerbeteiligung ist 😉

  10. Hmm, das Problem ist der Status als Mitwirkender. Ich würde keiner Partei beitreten, denn damit bist du im Herdentrieb drin – verkürzt beschrieben: von drinnen hast du dich zu beugen und von draußen wirst du nur als Pirat wahrgenommen.

    Ich würde eventuell nochmals kandidieren ;), doch 2009 war das eine Ausnahmesituation, da es noch weniger Personal gab … heute würde vermutlich kein Piratenmitglied akzeptieren, wenn ein Parteiloser für sie kandidieren würde – es sei denn du hast einen Bonus (als Popstar oder Schriftsteller etc.) … auch bei den Piraten zählt Parteimitgliedschaft vor Leistung und Können.
    Wenn du dich gegen die Massenmeinung stellst, bist du entweder „Nestbeschmutzer“ (als Parteimitglied) oder willst die Partei von außen schädigen, bist vielleicht von anderen „eingekauft“ 😉 … (als parteiloser Kandidat)

  11. Naja, diese Piraten-Antwort ist ja wirklich wieder mal alles andere als konkret und eine schöne Methode, sich um eigene Meinungen zu drücken. Dass nach einiger Zeit von Stadtratssitzungen Niederschriften erscheinen, ist ja bekannt. Immerhin interessant, dass es zusätzlich zur üblichen Zusammenfassung eine komplette gibt. Werde ich mal lesen.

  12. Übrigens ist occcu tatsächlich eine Piratin. Irgendwie albern, sich hinter solchen Pseudonymen zu verstecken, wenn man dann sofort über eine kurze Google-Suchanfrage herausfindet, wer sich wirklich dahinter verbirgt. Hat bisher bei allen mich interessierenden anonymen Piraten funktioniert.

  13. Frank, tja … ich mach’s kurz
    @ Thema
    Sehe ich auch so …
    @ Anonymität
    Sehe ich auch so …

    Ich erinnere mich in beiden Punkten gern an die Zeit Mitte bis Ende 2009 🙂

    Sei’s wie’s sei … man kann ja mitmachen bei den Piraten … auch ohne Parteimitglied zu sein … z.B. indem man einen Blog betreibt 😉

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